Der Kommissar und der Tatort Allgäu
Der skurile Krimiheld Kluftinger wird zum Fernsehstar. In Memmingen verfilmen das Bayerische Fernsehen und die Produktionsfirma Novafilm den Roman "Erntedank". Neben schauspielerischem Talent müssen die Darsteller dabei viel Geduld mitbringen. Von Rupert Huber
Von Rupert Huber
Memmingen - Entschlossen schieben die Polizisten den zeternden Fleischergesellen Heinz Brentano über den Flur der Polizeidirektion. Der stößt wilde Drohungen gegen Kommissar Kluftinger aus, was den unbeeindruckt lässt. "Will¿sch no oine?" fragt er den Mordverdächtigen, was den Beobachter vermuten lässt, dass es zuvor durchaus handgreiflich zur Sache gegangen war.
Ein Drehtag in Memmingen im leer stehenden ehemaligen Gebäude der Lech-Elektrizitätswerke (LEW). Das Bayerische Fernsehen und die Produktionsfirma Novafilm haben mit dem Haus ein ideales Terrain gefunden. Dass die Szene im Original in Kempten spielt, ist nebensächlich. Im Film zählt der stimmige Eindruck. Und so wie im ehemaligen LEW-Haus die Türschilder beamtentechnisch korrekt ("1, 07 Verhörraum 1") beschriftet sind, hat sich das auch der Leser des Romans "Erntedank" durchaus vorgestellt.
Das war der zweite von bisher vier Allgäu-Krimis, die das in Kempten geborene Duo Volker Klüpfel und Michael Kobr geschrieben hat. Und den "Erntedank" hat sich das Bayerische Fernsehen als schwäbischen Krimi-Einstieg ausgedacht.
Ein Roman, der an sich schon viele sehr filmische Szenen enthält, dessen Menschen mit der Landschaft leben und in dem eine Mordserie von dem dramatischen "Erntelied" von Clemens Brentano gespeist wird. Das Drehbuch haben Klüpfel (1971 geboren), Redakteur unserer Zeitung, und der Memminger Realschullehrer Kobr (Jahrgang 1973) nicht selbst geschrieben. Diese Aufgabe übernahmen die Autoren Stefan Holtz und Florian Iwersen. "Kluftinger"-Redakteurin Stephanie Heckner hatte mit dem Duo bereits bei einer Donna-Leon-Verfilmung der ARD gearbeitet.
Klufti-Fans werden sich wundern, dass dessen Lieblings-Assi Strobl fehlt. Dessen Charakterzüge sollen ein wenig in der Figur des Kollegen Hefele mit aufgehen. Kluftinger-Sohn Markus brachte es nur zu einem kleinen Auftritt. "In einem Film dürfen sich, anders als im Roman, nicht allzu viele Charaktere tummeln", sagt Holtz, damit würde die Geschichte unübersichtlich. Zustimmung bei Klüpfel/Kobr, die sich mit den etwa gleichaltrigen Drehbuchautoren getroffen hatten, nachdem die erste Fassung vorlag.
Doch der Film hat nicht nur eigene Gesetze im Erzählen, sondern auch im Entstehen. "Warten, warten, warten" ist die Hauptbeschäftigung bei einem Drehtag, wie Novafilm-Produzentin Katrin Holetzeck weiß. Zwei bis maximal vier Minuten Film entstehen an einem Drehtag.
Zehn Sekunden dauert etwa die Szene mit dem abgeführten Brentano. Sechs bis sieben Mal wird sie wiederholt, bis Regisseur Rainer Kaufmann zufrieden ist. Inzwischen hat Herbert Knaup seine Joppe ausgezogen und zeigt ein kleines Bäuchlein - was ganz im Sinne des bekannten Kässpatzen-Vertilgers Kluftinger ist. Was fasziniert den Erfolgsregisseur ("Marias letzte Reise") an Kluftinger? "Der Film will einerseits kurios sein, er möchte aber auch ein Krimi sein. Er erzählt einen gruselig-makabren Fall aus der Empfindlichkeit einer Figur heraus."
Und was wird aus dem Gedicht, das sich wie ein roter Faden durch den Krimi zieht? "Hmm", überlegt Kaufmann, "es wird wohl eine Stimme werden, die aus dem Off kommt, was heißt, dass man den Sprecher nicht sieht. Ich denke eben darüber nach, ob wir dann Kluftinger selbst das Gedicht sprechen lassen." Eines sei sicher, meint Kaufmann, "Klüpfel und Kobr spielen sehr geschickt mit Allgäuer Elementen, mit Skurrilem wie mit Archaischem, mit Sturheit wie mit Unterhaltsamkeit."
Wie macht sich der gebürtige Sonthofener Knaup als Hauptfigur? "Ich habe Glück, dass ich mit Herbert Knaup einen idealen Kluftinger gefunden habe, obwohl er auf den ersten Blick vom Äußeren her nicht der Romanfigur entspricht", meint der Regisseur. "Aber von seinem Wesen her ist er es hundertprozentig, bis in die feinsten Nuancen. Kluftinger hat einen Charakter, von dem man nicht unbedingt weiß, ob er überhaupt irgendwelche Fälle lösen oder lieber seine Äpfel auspressen will."
Kaufmann sieht den Hauptkommissar als grummelnden Getriebenen, als einen, der einen inneren Druck aushalten muss, so lange, bis er endlich die Lösung in seinem Kriminalfall gefunden hat.
Inzwischen ist die Flurszene in der Polizeidirektion im Kasten. Klufti sagt zum Kollegen Maier: "Mog¿sch mitfahra?". Dabei hat er einen Hintergedanken. Vielleicht hilft ihm der Kollege nachher beim Äpfel ausladen.
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