G8 ja, aber bitte entschleunigt
Bildungsausschuss lässt Experten eine Bilanz des achtstufigen Gymnasiums ziehen. Plädoyer für Ganztagsschule
München Man sollte öfter den Schülern zuhören, wenn es um Schule geht. Das war gestern eine von vielen Quintessenzen nach einem stundenlangen Expertengespräch im Bayerischen Landtag zum Thema achtstufiges Gymnasium (G8) – bei dem die Meinung von Bezirksschülersprecher Ansgar Münichsdorfer sehr gefragt war.
Leute aus der Praxis (Vertreter der Lehrer, der Schulleiter, der Philologen, der Eltern, der Wirtschaft und der Schulpsychologen) waren geladen, um vor dem Bildungsausschuss eine Gesamtbilanz des G8 zu ziehen. Die lautet – und das ist nicht überraschend – keine Rückkehr zum G9 und keine weiteren Strukturdebatten. Stattdessen fordern die Experten eine qualitative Verbesserung an den Gymnasien – und zwar in vielen Bereich: mehr Ressourcen und Eigenverantwortlichkeit an den Schulen, eine Entschlackung der Lehrpläne, eine erweiterte Schulleitung, mehr Schulpsychologen, mehr Intensivierungsstunden.
Und überhaupt: Wenn es nach den Experten geht, lernt in Bayern in Kürze der Großteil der Gymnasiasten in einer gebundenen Ganztagsklasse. Sehr interessiert hörten die Abgeordneten Schulleiter Helmut Seidl (München) zu, der viel Erfahrung mit diesem Modell sammeln konnte. „G8 ist nur als gebundenes rhythmisiertes Ganztagsangebot ein Standortvorteil für Bayern, wie es das G9 war“, findet er. Das, so betonten alle, bedarf aber auch einer räumlichen und personellen Erweiterung an den Schulen.
Nicht nur Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern oder mit Migrationshintergrund würden davon profitieren, auch für Begabte ergäben sich zusätzliche Fördermöglichkeiten. G-8-Schüler Ansgar Münichsdorfer schloss sich dem Plädoyer für die Ganztagsschule an. Die Schüler hätten doch auch so schon dreimal die Woche bis nachmittags Unterricht, nur eben ohne eingebaute Lern- und Erholungsphasen. „Mit der rhythmisierten Ganztagsschule findet hier die nötige Entschleunigung statt“, ist der Gymnasiast überzeugt.
Apropos Entschleunigung: Dazu hatte die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Schulpsychologen, Regina Knape, sehr viel zu sagen – was dem Sitzungsleiter Martin Güll (SPD) und den anderen Angeordneten so wichtig war, dass sie die in drei Minuten pro Beitrag getaktete Sprechzeit überziehen durfte – das Stoppglöckchen blieb diesmal still. Die Erholungszeit der Schüler, so betonte Knape, reiche schlichtweg nicht aus. „Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, erhöhtes Schlafbedürfnis – Schüler leiden unter Phänomenen, die eigentlich bei älteren Arbeitnehmern auftreten.“ Daher solle man stärker auf das Wohlbefinden der Schüler, auf deren Betreuung achten – und mehr Schulpsychologen bereitstellen.
G8 ja, aber entschleunigt, mit weniger Stoff und mehr Freizeitangeboten in Ganztagsklassen: Darin sind sich die Experten einig. Alle Möglichkeiten, um den einzelnen Schüler zum Abitur zu bringen, sollen ausgeschöpft werden, auch das freiwillige Intensivierungsjahr, das der Kultusminister einführen will.
Ein bisschen aus der Reihe tanzte Peter Brenner von der Technischen Universität München. „Die Belastung wird im Studium nicht weniger“, warf er ein. Er frage sich daher, ob die Beratungen auch in die Richtung gingen, Schüler zu fragen: Bist du dem gewachsen?
Letztlich, so machten die Experten deutlich, brauche das Gymnasium der Zukunft, das ja eigenverantwortlich sein soll, mehr Ruhe und mehr Mut – und dafür dringend eine erweiterte Schulleitung.
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