Hausärzte vor dem Ausstieg
Der Wille zum Ausstieg ist ungebrochen. In der Nürnberger Arena, wo sonst Eishockey gespielt wird, sitzen mehrere tausend bayerische Hausärzte. Sehr viele haben einen weißen Umschlag in der Hand. Darin steckt eine gewichtige Erklärung: die Bereitschaft, ihre Kassenzulassung abzugeben. Von Joachim Bomhard
Von Joachim Bomhard
Nürnberg. Der Wille zum Ausstieg ist ungebrochen. In der Nürnberger Arena, wo sonst Eishockey gespielt wird, sitzen mehrere tausend bayerische Hausärzte. Sehr viele haben einen weißen Umschlag in der Hand. Darin steckt eine gewichtige Erklärung: die Bereitschaft, ihre Kassenzulassung abzugeben. Sie werden sie an diesem Tag noch in eine Urne werfen. Wie viele es am Ende sein werden, steht wohl erst in wenigen Wochen fest.
Ein Rechtsanwalt aus Kiel wird anstatt eines dafür eigentlich engagierten bayerischen Notars treuhänderisch die Aufbewahrung und Auszählung der Erklärungen vornehmen, nachdem das Justizministerium in München dem Urkundsbeamten via Notarkammer vorsorglich mit Konsequenzen gedroht hat, weil das Vorgehen des Bayerischen Hausärzteverbandes unerlaubt oder als unredlich angesehen werden könnte. Die Ärzte reagieren mit Pfiffen und Buhrufen.
Die Stimmung in der Halle ist ohnehin aufgeladen. Verbandschef Dr. Wolfgang Hoppenthaller marschiert unter Wagner-Klängen ein und wird mit stehenden Ovationen begrüßt. Die Veranstaltung wird kurzerhand als Fortbildungsveranstaltung deklariert. Thema: Wie geht es weiter mit den Hausarztpraxen? Und der Weg ist aus Sicht des Verbandes vorgezeichnet: Eine ausreichende Mehrheit (jeweils mindestens 70 Prozent in einem Regierungsbezirk) werde ihre Zulassung zurückgeben. Mehrere tausend haben es am Mittwochabend bereits getan.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB), die vorab zur Pressekonferenz geladen hat, glaubt dennoch nicht an einen Erfolg: "Wir sind überzeugt, dass ein vernünftiger Arzt nicht aussteigt", sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Gabriel Schmidt. KVB-Chef Dr. Axel Munte spricht von einer "großen Zerreißprobe".
Die Hausärzte machen den Eindruck, dass sie bereit sind, die Probe aufs Exempel zu machen. "Wir werden unsere Hausarzt-Zulassung heute zurückgeben", sagt Hoppenthaller und "empfiehlt" dies auch seinen Kollegen; "auffordern" dürfe er nicht, sagt er ausdrücklich, weil er sich damit möglicherweise strafbar mache. Und Hoppenthaller zeichnet nochmals die erwartenden Konsequenzen der Rückgabe aus: "Wenn wir jetzt aussteigen, dann gibt es einen Dominoeffekt", der andere Arztgruppen und auch die Hausarztkollegen deutschlandweit erreichen werde. Die Versorgung der Patienten sei sichergestellt.
Hoppenthaller, der 90 Minuten lang auf seine Kollegen einredet, will weg von der Bevormundung durch die Kassenärztliche Vereinigung und sagt, dass es die Hausärzte in die eigene Hand nehmen wollen, mit den Kassen über Honorare und Vertragsbedingungen zu verhandeln. Sein Verband sei darauf eingerichtet, all das abzuwickeln, was die KV heute für die Hausärzte tut.
Dabei, so betonen die Ärztevertreter immer wieder, geht es in allererster Linie darum, den Beruf wieder attraktiver zu machen, um Nachwuchs für ihre Praxen vor allem auf dem Land zu finden.
"Wir wollen raus aus diesem totalitären Kassensystem", ruft Hoppenthaller und bekommt nochmals großen Beifall.
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