Hopfen und Malz für Addis Abeba
In Äthiopiens Hauptstadt braut Banshebi Tejiwes Bier nach deutschem Reinheitsgebot. Gelernt hat er das in Ulm und Weihenstephan. An einem Schwörmontag fand er seine Frau. Von Philipp Hedemann
Addis Abeba Kellnerin Tigest hat Stress. Mit acht Bierkrügen in den Händen eilt sie im blauen Dirndl an Läuter- und Maischebottichen vorbei ins Bierzelt. Die blank gescheuerten Holzbänke sind dicht besetzt. Viele Gäste haben sich die deutschen Farben ins Gesicht gemalt. Das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien hat gerade begonnen. Noch ist die Welt in Ordnung, die Stimmung ausgelassen. Erst als klar wird, dass Deutschland nicht ins Finale kommt, wird es leise im Bierzelt. Für die in Ulm geborene Ariane Addisitu (34) ist das doppelt bitter. Denn die Szene spielt nicht in Deutschland, sondern in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. "Beer Garden Inn" heißt das Lokal, die Fans sind äthiopische Studenten, deutsche Entwicklungshelfer und Geschäftsleute aus aller Welt.
"Bei allen Deutschland-Spielen war der Laden schon Stunden vor Anpfiff rappelvoll, viele Gäste mussten sogar stehen. Wir hatten fast drei Mal so viel Umsatz wie an gewöhnlichen Tagen", erzählt die äthiopische Schwäbin. Sie leitet das Beer Garden Inn zusammen mit ihrem Vater Banshebi Tejiwe (58). Der ist Bierbrauer von Beruf. Gelernt hat er das auf der Braumeisterschule in Ulm, als einziger schwarzer Absolvent, und beim Studium in Weihenstephan.
Für die Fußballweltmeisterschaft hat Tejiwe extra einige Hundert Liter zusätzlich gebraut. Fußballfans sind durstig, Tejiwe ist zufrieden. Sein Traum hat sich endlich erfüllt. "Als Student in Deutschland sah ich, wie immer mehr kleine Gasthausbrauereien dichtmachen mussten, weil sie von großen Brauereien verdrängt wurden. Das machte mich traurig. Ich wollte etwas dagegen tun. Am liebsten in meiner Heimat", erzählt der Äthiopier. Doch es vergingen Jahrzehnte bis Tejiwe einen Investor fand, der sich auf seine strengen Auflagen einließ: Das Malz muss aus Franken kommen, der Hopfen aus der Hallertau, die Kessel aus Bamberg, gebraut wird nach deutschem Reinheitsgebot. "Nur Wasser, Hopfen, Malz, Hefe. Keine Zusatzstoffe, wie das in Äthiopien leider üblich ist. Damit es schmeckt und die Gäste keine Kopfschmerzen bekommen", ist Tejiwes Credo.
Doch die Millioneninvestition lohnte sich. Als das "Beer Garden Inn" 2006 öffnete, kam der Brauer mit der Bierproduktion kaum nach. Auch heute noch sitzen jeden Abend rund 200 Gäste in der Bar und im Zelt. Viele zapfen sich ihr Bier aus ein Meter hohen Zylindern am Tisch selbst.
Bezahlt wird das Bier mit Birr, der äthiopischen Währung. Ein halber Liter kostet umgerechnet 90 Cent. Zum Blondie (Helles) oder Ebony (Dunkles) werden Brathendl (3,55 Euro), Bratwurst mit Sauerkraut (3,65 Euro) und Käsespätzle (2,20 Euro) serviert. Das und ein Dutzend weitere Wörter auf der Speisekarte, kann die dunkelhäutige Kellnerin Tigest auf Deutsch sagen. Und die Gäste verstehen, was damit gemeint ist. "Drei Viertel unserer Gäste sind Äthiopier, der Rest sind Deutsche, Chinesen, Amerikaner und Europäer", sagt der Chef. Auch Marathon-Weltrekordhalter Haile Gebrselassie gehöre zu seinen Stammgästen, fügt er stolz hinzu.
Der Laden brummt, dabei wurde Tejiwe eigentlich unfreiwillig Brauer. In den siebziger Jahren, als Haile Selassie noch Kaiser von Äthiopien war, wollte er Elektrotechnik studieren. Doch während der Studentenunruhen wurde dem jungen Äthiopier das Studium verboten. Notgedrungen heuerte er in der äthiopischen Großbrauerei Saint George an. Dort lernt er einen deutschen Brauingenieur kennen, der ihm zur Ausbildung an der Braumeisterschule Ulm und zum Studium in Weihenstephan verhalf. Ihm verdankt Tejiwe indirekt noch viel mehr: seine Frau und seine drei erwachsenen Kinder!
"Es war der Abend des Schwörmontags 1974. Ich war in der Straßenbahn in Ulm unterwegs. Da sah ich dieses schöne Mädchen, das stehen musste. Ich bot ihr meinen Sitzplatz an. Dann ging alles ziemlich schnell. Mittlerweile ist Tochter Ariane Addisitu 34 Jahre alt und die Geschäftspartnerin ihres Vaters. Nachdem sie im Mövenpick-Hotel in Neu-Ulm Hotelfachfrau lernte, betreibt sie direkt neben dem Biergarten ihres Vaters ein Hotel. Wer zu viel von dem guten Bier nach original bayrischem Rezept getrunken hat, hat es also nicht weit von der Bierbank bis zum Bett. Die 32 Zimmer sind oft ausgebucht. Von Philipp Hedemann
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