"Inhaltsleere Politik": Ex-Staatssekretär packt aus
Ex-Staatssekretär Bernd Weiß kritisiert Seehofer und die Parteien in seinem neuen Buch. Er gibt einen Einblick in den Politikbetrieb aus erster Hand.
Das Medienecho war erstaunlich groß, als kurz vor dem Jahreswechsel bekannt wurde, dass Bernd Weiß, Ex-Zukunftshoffnung der unterfränkischen CSU und Ex-Staatssekretär im Kabinett Seehofer in Kürze ein Buch veröffentlichen wird. Selbst der Spiegel berichtete über das Werk, von dem zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Auszüge verfügbar waren.
Schließlich war der 44-Jährige im Herbst 2009 im Streit aus Horst Seehofers Regierung ausgeschieden – und hatte auch danach keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Arbeitsstil und menschlichen Umgang des CSU-Chefs gemacht. Seehofer hatte kurz vor Weihnachten mit abfälligen Äußerungen über das eigene CSU-Führungspersonal für passende Schlagzeilen gesorgt. Er hatte auch Rücktrittsbrief an Horst Seehofer geschrieben.
Erste Entwürfe waren „galliger und vom persönlichen Ärger geprägt“
Doch wer in den knapp 240 Seiten, die unserer Zeitung vorliegen, die Enthüllung bislang unbekannter „Schmutzeleien“ vom Kabinettstisch erwartet, muss enttäuscht werden: Es gehe ihm nicht um eine Abrechnung, sagt der Autor – auch wenn er zugibt, dass erste Entwürfe „viel galliger und vom persönlichen Ärger geprägt waren“.
Unter dem Titel „Frage, was dein Land für dich tun kann – Warum inhaltsleere Politik eine leichte Beute für Piraten aller Art ist“ versucht der promovierte Jurist vielmehr vor dem Hintergrund eigener Regierungserfahrung die Analyse einer Politik, die auf Verpackung statt Substanz setzt: „Form statt Inhalt, Schlagzeile statt Lösung“, nennt das Weiß in seinem Buch. Dieses System begünstige „den Blender, der sich ganz vorne hinstellt und den Menschen erzählt, was sie hören wollen“, schreibt er.
Bernd Weiß sieht ein grundsätzliches Problem in allen Parteien
Auch wenn Weiß ein grundsätzliches Problem in allen Parteien sieht – nicht nur an dieser Stelle darf sich Seehofer mit seinem flexiblen Politikstil sehr wohl direkt angegriffen fühlen: „Sich wahllos allem anzunehmen ist auch eine Form, die Dinge einfach treiben zu lassen“, formuliert Weiß etwa. Oder mit direktem Seehofer-Bezug: „Es ist keine Alternative zu inhaltlicher Führung, wenn man die Suche nach dem Volkswillen quasi zum obersten Prinzip erhebt.“
Auch Seehofers erster Satz zu Weiß nach dessen Kabinettsberufung demaskiert einen Politikansatz, der Aufmerksamkeit über Inhalt stellt: „Und bis nächstes Jahr möchte ich, dass jedes Kind in Bayern dich kennt“, habe ihm Seehofer da mitgegeben. In dem Jahr in der Schaltzentrale der Macht habe er dann zudem erfahren müssen, dass eigene Ideen unerwünscht und Sachargumente nachrangig waren - vor allem, wenn es um Hierarchien, Außenkommunikation und Machterhalt gehe.
Unangenehme Wahrheiten für Bürger und Politiker?
Dass reale Politik derart inhaltsleer funktioniere, habe aber auch mit den Wählern zu tun, kritisiert Weiß: So liege die Erwartungshaltung an die Macht von Politikern oft weit über deren tatsächlichen Möglichkeiten. Zu viele Menschen versuchten Risiken und Einzelinteressen auf den scheinbar rettenden Staat abzuwälzen, anstatt erst einmal auf sich selbst zu bauen. Unangenehme Wahrheiten wollten viele Bürger von ihren Politikern gar nicht erst hören. Das Buch ist ab kommendem Dienstag erhältlich.
Bernd Weiß: „Frage, was dein Land für dich tun kann“, Infolücke-Verlag, 238 Seiten, 15,90 Euro
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