Nur die Fleischqualität zählt
In seinen Mastschweinestall außerhalb von Sielenbach (Kreis Aichach-Friedberg) lässt Reinhard Herb (50) normalerweise keinen Fremden. In dem langen Gebäude mit den vielen Abluftkaminen werden etwa 4000 Schweine Jahr für Jahr bis zur Schlachtreife gefüttert.
- In seinen Mastschweinestall außerhalb von Sielenbach (Kreis Aichach-Friedberg) lässt Reinhard Herb (50) normalerweise keinen Fremden. Nicht, weil er etwas zu verbergen hätte. In dem langen Gebäude mit den vielen Abluftkaminen spielt sich nichts Geheimnisvolles ab. Etwa 4000 Schweine werden dort Jahr für Jahr bis zur Schlachtreife gefüttert. Rund 130 Tage dauert die Mast. Der Zweck ist klar. Die Tiere sollen nichts anderes als wachsen, ohne viel Fett anzusetzen, schöne Schinken und Koteletts entwickeln und sie sollen gesund bleiben.
Das ist der Grund für die Zurückhaltung des Landwirts Besuchern gegenüber. Fremde könnten Krankheitskeime einschleppen. Und eine Ansteckung käme teuer. Wenn nur jedes Schwein Arzneimittel für einen Euro bräuchte, wäre das mit einem Schlag ein Verlust von mindestens 1000 Euro, rechnet Herbs Sohn Richard (25) vor. Stallhygiene, Futterhygiene und das System "Rein, raus", wie Herb sein Verfahren nüchtern nennt, sollen derartige Nebenkosten minimieren. Mit "Rein, raus" umschreibt der Landwirt, dass alle Tiere mit einem Gewicht von etwa 28 Kilo gleichzeitig in den Stall kommen und ihn mit 110 bis 115 Kilo Richtung Schlachthof auch gemeinsam wieder verlassen. Dann wird der nächste Schub angeliefert. Das Tier als Individuum hat dabei keinerlei Bedeutung.
Nach der Ankunft ist die Ansteckungsgefahr am größten. Es dauere jeweils eine Weile, bis die diversen Krankheiten, die die Ferkel aus verschiedenen Erzeugerställen mitbringen, auskuriert sind. Falls am Anfang Medikamente verabreicht werden müssen, sind die Wartezeiten, die einzuhalten sind, damit das Fleisch zum Verzehr freigegeben werden kann, kein Problem. Infektionen, die kurz vor der Schlachtreife auftreten, bringen dagegen den Fahrplan erheblich durcheinander.
Vier Wochen Lebenszeit bleibt den Schweinchen noch, die bei unserem Besuch neugierig die Nasen in die Höhe strecken und arglos die Hosenbeine des Mästers beschnuppern, als dieser eine Box zum Fotografieren öffnet. Die Gelegenheit, den Verschlag zu verlassen, den sie jeweils in Zehnergruppen mit ihren Artgenossen teilen, lassen sie sich nicht entgehen. Der kurze Spurt auf den Flur, vorbei an vielen Türen, ist eine Abwechslung in einem ansonsten eintönigen Dasein.
Hinter den Türen sieht ein Raum wie der andere aus. Box reiht sich an Box. Dank der Spaltenböden sind sie ohne Arbeitsaufwand sauber und trocken. Auch Heizung, Lüftung und Fütterung funktionieren automatisch.
Wichtigstes "Steuerungsinstrument" für die Qualität des Fleisches, das den Ansprüchen für das Siegel "Geprüfte Qualität Bayern" genügen muss und im Programm "Offene Stalltür" unangemeldeten Kontrollen unterliegt, ist die Zusammensetzung des Futters. Herbs Schweine werden ausschließlich "trocken", das heißt mit Getreide ernährt. Weizen, Gerste, Mais, Soja und Mineralstoffe aus der eigenen Futtermischanlage sind in mehreren Phasen auf Alter und Geschlecht der Tiere abgestimmt. Das gesamte Getreide des 110-Hektar-Betriebes, der auch Zuckerrüben und auf Stilllegungsflächen Raps anbaut, geht "durch den Magen" der Schweine und einiger Bullen, die zusätzlich gehalten werden. "Veredelung" ist das Fachwort dafür. Herb entschied sich Anfang der 90er Jahre für diese Form der Spezialisierung, als die Getreidepreise in Europa massiv abgesenkt wurden.
Es war kein leichter Neubeginn. Herbs Plan, als erster im Dorf einen großen Mastschweinestall an den Ortsrand zu bauen, stieß wegen des befürchteten Gestanks auf erbitterten Widerstand. Der juristische Streit ging bis zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Inzwischen sei Ruhe eingekehrt. Der Stall steht 600 Meter entfernt von der Siedlung nicht in Hauptwindrichtung. Entschärft wurde der Konflikt zudem durch Herbs Anstrengungen, bei der Düngung der Felder mit Gülle möglichst niemanden zu belästigen. Er gründete mit Kollegen die Gemeinschaft "Agrogüll". Teuere Maschinen für die bodennahe Ausbringung wurden angeschafft. Etwa 50 Bauern in den Landkreisen Aichach-Friedberg und Augsburg nutzen diese ausgeklügelte Technik nun im Wechsel. Mastschweine sind in Sielenbach mittlerweile nichts Besonderes mehr. Das Dorf ist eingekreist von mehreren großen Ställen. "Ohne Tierhaltung", so Herbs Einschätzung, habe Landwirtschaft in den süddeutschen Ackerbaugebieten ja auch kaum eine Zukunftschance.
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