Kein Freibier mehr: Aufstand in Seniorenheim
Weil Rentnern im Seniorenheim im oberbayerischen Aying das Freibier zum Essen gestrichen wurde, zettelten sie einen Aufstand an. Sie wollen die Heimleitung unter Druck setzen.
Die knapp 5000-Seelen-Gemeinde im südlichen Landkreis München ist immer für überregionale Schlagzeilen gut. Russlands Präsident Wladimir Putin hat schon zum Abendessen im örtlichen Brauerei-Gasthof vorbeigeschaut, Weltmeister Philipp Lahm und viele andere Prominente feierten hier Hochzeit. Darüber hinaus schmückt sich Aying mit dem höchsten Maibaum der Welt, dem ältesten Krieger- und Veteranenverein Deutschlands – und in diesen Tagen – mit einer Begebenheit, über die Bayern schmunzelt.
„Freibier im Seniorenzentrum gestrichen“, so berichtete die Süddeutsche Zeitung schon vor Wochen über Vorwürfe der Bewohner. Das Boulevardblatt tz klärte einige Tage später auf: „Rentner gewinnen Bierstreit.“ Und in der Tat: Weil Bewohner im örtlichen Altenheim vor einigen Wochen befürchteten, ihr mittäglicher Schoppen Gerstensaft würde aus Kostengründen gestrichen, haben sie einen Aufstand angezettelt, der sich sehen lassen konnte. Die Münchner Medien schrieben genussvoll über den – wie soll man sagen? – Sturm im Bierglasl. Sogar das Fernsehen war da.
Dazu muss man wissen: In Aying, wo die ortsansässige Brauerei seit jeher mit dem Slogan „Das Kurdorf für den Durst“ wirbt, liegt das Seniorenwohnheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) direkt neben den Abfüllanlagen am Rande der Ortschaft inmitten idyllischer Wiesen. Die Bewohner können die Bierlaster nicht nur jeden Tag beim Beladen beobachten, sondern das Gebräu förmlich riechen.
Zwei-Klassengesellschaft im Seniorenwohnheim
Seit dem Bau des Heims vor sieben Jahren ging es hier friedlich zu, zumindest ist von einem größeren Streit nichts bekannt. Inwieweit dazu das mittägliche Freibier beitrug, ist nicht überliefert. Dass dessen Entzug jedoch die Harmonie gewaltig störte, steht fest.
Was die Geschichte mit dem gestrichenen kostenlosen Getränk angeht, gehen die Schilderungen allerdings auseinander. Die eine lautet: Ein 88-jähriger Senior und seine 16-köpfige Wohngruppe haben die Welt nicht mehr verstanden, als Ende April am Mittagstisch nicht mehr automatisch das kühle Blonde stand. Der Rentner wird zitiert mit dem Satz: „Nicht einmal mehr dieses schlecht eingeschenkte Glaserl Bier gönnen sie uns!“
Der Unmut der Alten gärte den Schilderungen nach einige Wochen still vor sich hin, bis die Bewohner in die Offensive gingen. Denn das Freibier hatte offenbar zu einer Zwei-Klassengesellschaft geführt. Während die einen ihr Bier einfach nach dem Dessert auf dem Zimmer tranken, gingen die anderen leer aus. „Das Problem ist, dass sich nicht alle hier ein Bier leisten können“, erklärt Angela Frank, die Vorsitzende der Bewohnervertretung. Um die Heimleitung unter Druck zu setzen, machte man den Fall öffentlich.
Lange mussten die Rentner nicht auf ihr Freibier verzichten
Der örtliche Bürgermeister, Johann Eichler, sprang den Senioren bei und verkündete: „In einem Bierdorf wie Aying sollte jeder auch ein Glasl Bier bekommen.“ Und Brauereidirektor Helmut Erdmann ließ sich die Chance zur Eigen-PR natürlich nicht entgehen. „Unmenschlich“, nannte er das Verhalten der Heimleitung und versprach, hin und wieder einen Träger Ayinger Bier vorbei zu bringen.
Heimleiter Oliver Wahl wiederum kann bis heute die enorme Aufregung nicht verstehen: „Ich finde das seltsam.“ Einzelne Bewohner hätten wohl das Gefühl gehabt, sie seien zu kurz gekommen. Es wäre nie die Rede davon gewesen, das bayerische Nationalgetränk komplett zu streichen. Nur sollte es nicht mehr automatisch auf den Tisch gestellt werden, sondern nur bei ausdrücklicher Bestellung. Aufgrund der Einnahme von Medikamenten sei Bier zudem nicht für jeden empfehlenswert.
Auch AWO-Sprecherin Martina Rosenberg schüttelt angesichts der Aufregung den Kopf: „Es gab nie ein Bierverbot aus Kostengründen, wie das geschildert wurde.“ Außerdem würde neben dem Glas am Mittag auch am Abend ein Bierchen ausgeschenkt.
Welche Darstellung nun stimmt, und wer auch immer Recht hat im Bierstreit von Aying. Tatsache ist: Inzwischen gibt es für die Rentner mittags wieder täglich ihr Freibier. Seither scheint Ruhe eingekehrt zu sein im Seniorenheim am Rande des Dorfes. Heimleiter Wahl ist erleichtert: „Ich bin froh, dass dieser Spuk vorbei ist.“
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