S-Bahn-Führer: Dominik Brunner war der Angreifer
Im Brunner-Prozess hat der S-Bahn-Zugführer ausgesagt, dass der Manager für ihn der Angreifer gewesen sei. Seiner Meinung nach hätte Dominik Brunner "einfach nur gehen müssen".
Ihrem kleinen Bruder hielt sie die Augen zu - er sollte die tödliche Schlägerei nicht sehen. Das Mädchen und sein Bruder wurden Zeugen, als zwei Jugendliche den Manager Dominik Brunner am S-Bahnhof Solln zusammenschlugen.
"Ich bring dich um", habe einer der beiden gerufen und den Manager am Boden mit den Füßen getreten, sagt die 16-Jährige am Dienstag vor dem Landgericht München I. Der Zugführer der S-Bahn glaubte hingegen, dass Brunner der Angreifer war. Brunner hätte genug Zeit gehabt, zu gehen, sagt er. Der Manager sei jedoch auf seine späteren Peiniger zugegangen und habe einem mit der Faust ins Gesicht geschlagen.
Bei der folgenden Schlägerei erlitt Brunner 22 schwere Verletzungen und starb kurz nach der Schlägerei an Herzversagen. Er hatte vier Schüler vor den Angeklagten Markus S. (19) und Sebastian L. (18) schützen wollen, die sich nun wegen Mordes verantworten müssen.
Der 13-jährige Bruder des Mädchens berichtet, einer der jungen Männer habe den Mann am Boden beschimpft, den hochgestreckten Mittelfinger gezeigt. Er habe "Motherfucker" gerufen, hatte der Bub angegeben - das sei allerdings kein schönes Wort für sein Alter, sagt der Vorsitzende Richter Reinhold Baier. "Ist das ein Ausdruck, den du überhaupt kennst? Vom Schulhof?", fragt Baier, und der Bub nickt verschämt.
Was vor zehn Monaten am S-Bahnhof Solln geschah, scheint am fünften Verhandlungstag recht klar: Brunner schlug als erster zu, bevor die Jugendlichen, vor allem aber Markus S., ihn brutal niederschlugen. Doch war der erste Schlag Selbstverteidigung - oder wollten die beiden ihn gar nicht angreifen? War alles ein Missverständnis? Der S-Bahn-Zugführer will keine Aggression der beiden Angeklagten bemerkt haben. "Sie sind ganz normal ausgestiegen wie alle anderen auch." Am Bahnsteig sei ihnen Brunner mit zwei Schritten entgegengegangen und habe zugeschlagen. "Die beiden Angeklagten waren äußerst überrascht - wie ich." Für ihn sei Brunner der Angreifer gewesen - er habe allerdings nichts von der vorangegangene Auseinandersetzung mitbekommen, sagte der 46-Jährige.
Fraglich scheint jedenfalls, ob der Mordvorwurf der Anklage zu halten ist: Brunner starb nicht direkt an Schlägen und Tritten, sondern an Herzstillstand. Er war es, der zuerst zuschlug - auch wenn das der Selbstverteidigung diente. Erst dann sei der mutmaßliche Haupttäter Markus S. richtig aggressiv geworden, hatten Zeugen berichtet - das passt nicht ganz zum Motiv der Anklage, die von einem Racheakt für Brunners Eingreifen im Zug ausgeht. Die Angeklagten hätten am Bahnsteig gar nicht angreifen, sondern vorbeigehen wollen, sagen die Anwälte. Wegen der Enge hätten die beiden aber gar nicht anders gekonnt, als auf Brunner und die Schüler zuzugehen. Um das zu belegen, wollen die Anwälte, dass das Gericht sich selbst am Tatort die Stelle ansieht.
Besonders die Anwälte von Sebastian L. sehen den Mordvorwurf kippen. "Dem sind wir von Anfang an skeptisch gegenübergestanden. Die Beweisaufnahme bestätigt das", sagt Roland Autenrieth. Zeugen hätten bestätigt, dass Sebastian L. nicht mehr zugeschlagen habe, als Brunner auf dem Boden lag, sondern Markus S. zu stoppen versuchte.
Sebastian L. habe Markus S. weitergezogen, sagt etwa ein 59-jähriger Zeuge. Er und seine Frau schildern auch, dass Markus S. auf den Manager eintrat. Dann seien die Jugendlichen weggelaufen. "Es war ein sehr hasserfülltes Gesicht, das ich da sah, und er hat eine Siegerpose gemacht", etwa wie "das hast du davon", sagt der Zeuge über Markus S. Das Ehepaar stieg in eine S-Bahn und sah noch, wie Brunner wieder aufstand. "Da war für uns die Kampfhandlung beendet." Erst aus den Medien hätten sie erfahren, was geschehen war.
Mehrere Schulklassen verfolgen im voll besetzten Gerichtssaal den Prozess. Oskar Brunner, der Vater des getöteten Managers und Nebenkläger, fehlt am fünften Prozesstag erstmals. "Er hat die Kraft nicht", sagt seine Anwältin Annette von Stetten. Zum Prozessauftakt hatte Brunner angekündigt, er wolle am gesamten Prozess teilnehmen, soweit es sein Gesundheitszustand erlaube.
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