Mehr als 1,4 Millionen Schüler erhalten in Bayern ihr Jahreszeugnis. Mütter und Väter sind bei den Noten oft strenger als die Lehrer. Das muss nicht so sein.
Die Telefone in den Schulberatungsstellen werden wieder Sturm läuten. Selten heben die Psychologen dort so oft den Hörer ab wie vor und nach dem Zeugnistag. 1,44 Millionen bayerischer Schüler erhalten diesen Freitag ihr Jahreszeugnis. Alle Leistungen aus dem vergangenen Schuljahr, schwarz auf weiß. Doch die strengsten Richter sind nicht die Lehrer, die ihre Noten (im Idealfall) ganz objektiv vergeben. Die strengsten Kontrolleure sitzen bei den Schülern zu Hause: Eltern.
Nicht wenige Mütter und Väter neigen zur Überbewertung der Schulnoten. Nicht umsonst sind die Beratungstelefone in der Zeugniszeit explizit auch für Eltern geöffnet, nicht umsonst schärfen Psychologen jedes Jahr vor dem letzten Schultag den Eltern ein, das Kind nicht für eine schlechte Note zu bestrafen, sondern ihm auch dann lieber einmal zu oft zu versichern: „Wir sind stolz auf dich.“ Denn ein bisschen Gelassenheit tut allen und jedem gut – im besten Fall sogar den Noten, die ein Kind dann im nächsten Schuljahr erreicht. Eltern, entspannt euch!
Eigentlich weiß es doch jeder: Ein Zeugnis entscheidet nicht über lebenslangen Erfolg und Misserfolg. Es gibt lediglich Hinweise darauf, in welchen Fächern ein Schüler noch Nachholbedarf hat. Nicht einmal das in der Wahrnehmung zahlreicher Eltern so wegweisende Übertrittszeugnis am Ende der Grundschule meißelt die Karriere in Stein. Es zeigt nicht, ob ein Kind später auf der Straße oder auf dem Strasssofa landet. Es ist nur eine Empfehlung, auf welcher Schulart es am besten gefördert wird.
Zeugnis: Monatelanger Notenstress sollte nicht sein
Trotzdem führt es dazu, dass ganze Familien von Viertklässlern monatelang in Notenstress verfallen, damit der Schnitt am Ende für die gewünschte Schulart reicht. Am Ende schaffen es rund 40 Prozent eines Grundschuljahrgangs aufs Gymnasium – aber womöglich genügen nicht einmal sechs Wochen Ferien, damit sich die Kinder vom Lernstress erholen. Will man das?
Man möchte mit Nein antworten, und all die Fixierung auf Noten ist auch völlig übertrieben. Das zeigt ein ganz entspannter Blick auf die Wirklichkeit. Im dreigliedrigen bayerischen System haben Schüler bis zum Abschluss ständig die Chance zur Verbesserung. Wer auf der Mittelschule beginnt, kann trotzdem Abitur machen. 40 Prozent der Studenten kommen heute nicht über das Gymnasium an Hochschulen. Und das Gymnasium ist ja nicht der einzige Weg: Ausbildungsberufe boomen. Einen Handwerker braucht im Alltag jeder mal, einen Atomphysiker oder Experten für Alte Sprachen eher nicht. Das wird sich in Zukunft noch mehr herausstellen als jetzt schon. Und deshalb sollten Eltern schnellstens aufhören, praxisorientierte Schularten wie die Mittelschule als minderwertig anzusehen.
Sofortige Auswirkungen hat ein Zeugnis nur dann, wenn ein Schüler das Klassenziel nicht erreicht, ein Schuljahr nochmal machen muss. Das trifft im Freistaat jedes Jahr knapp zwei Prozent. Generell macht die Mittelstufe Jugendlichen die größten Probleme – auch Kultusminister Michael Piazolo ist übrigens in der 7. Klasse sitzen geblieben. Genauso wie Elyas M’Barek, dreimaliger Wiederholer und heute umschwärmtester Lehrer der Welt im Film „Fack ju Göhte“. Es gäbe noch viel mehr Beispiele.
Sitzenbleiben brandmarkt nicht das Leben
Ein zusätzliches Schuljahr brandmarkt nicht das spätere Leben: Wäre es so, hätten Politiker in ganz Deutschland beim ständigen Hin und Her zwischen acht- und neunstufigem Gymnasium zuletzt ziemlich verantwortungslos mit dem Schicksal der jungen Generation gespielt.
Der pädagogische Sinn des Wiederholens ist dabei höchst umstritten, Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Hamburg haben es ganz abgeschafft. So lange die Ehrenrunde in Bayern weiter existiert (und das dürfte auch so bleiben), sollten Eltern und Kinder sie nach der ersten Enttäuschung als zweite Chance begreifen, es nach den Ferien besser zu machen. Selbstzweifel und Wut sind zwar menschlich, aber sie bringen nicht voran. Und jetzt: Schöne Ferien!
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Das Problem sind meist die über ehrgeizigen Eltern, die selbst in der Schule nicht die erfolgreichsten waren. Die Lehrer sollten in Einzelfällen den Mut haben den Eltern mitzuteilen: "Ihre Kind ist nicht faul sondern schlichtweg unbegabt, um nicht zu sagen zu dumm".