Die Distelfalter fallen in der Region ein
Eine stille Invasion hat am Wochenende in der ganzen Region begonnen. Ganz leise, aber unübersehbar sind Millionen von Distelfaltern vom Mittelmeerraum über die Alpen bis zu uns geflattert. Von Matthias Zimmermann
Augsburg Eine stille Invasion hat am Wochenende in der ganzen Region begonnen. Ganz leise, aber unübersehbar sind Millionen von Distelfaltern vom Mittelmeerraum über die Alpen bis zu uns geflattert.
Wer am Sonntag das tolle Frühsommerwetter im Freien genossen hat, konnte ihnen fast nicht entkommen. So mancher Cabriofahrer dürfte die Insekten als blinde Passagiere im Wagen begrüßt haben. Die übrigen Autofahrer konnten zumindest an der Zahl der zerplatzten Insekten auf der Windschutzscheibe merken, dass an diesem Sonntag etwas anders war als sonst. Begünstigt vom guten Wetter und dem Föhn in den Alpen ist die Zahl der Distelfalter, die im Übrigen jedes Jahr zu uns kommen, heuer um ein Vielfaches höher als normal.
Der Biologe Christian Stierstorfer vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern hat das Heer der Einwanderer mit Staunen und Freude beobachtet: "So viele Distelfalter gibt es höchstens alle paar Jahrzehnte einmal. Davon profitieren jetzt natürlich die Vögel, die reichlich Nahrung finden." Schuld an der starken Vermehrung der Falter sei der Zufall: "Im Insektenreich kann es immer wieder zu extremen Populationsschwankungen kommen. Heuer hat alles gepasst: reichlich Nahrung in den Heimatländern und gutes Wetter auf dem Flug über das Mittelmeer", fasst Stierstorfer zusammen. Ursprünglich kämen die Schmetterlinge aus Nordafrika, erklärt der Experte: "Dort sammeln sie sich zuerst in den Küstengebieten und legen ihre Eier ab. Die zweite Generation fliegt dann mit guten Winden und Zwischenlandungen auf einzelnen Inseln quer über das Mittelmeer bis nach Südeuropa."
Die scheinbar so zerbrechlichen Insekten hatten also bereits eine lange Reise hinter sich, als sie den Ausflüglern und Sonnenanbetern am vergangenen Wochenende zum ersten Mal unter die Augen kamen. Werner Burkhart, der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes im Landkreis Augsburg, haben die neugierigen Fragen seiner siebenjährigen Tochter auf das Phänomen aufmerksam gemacht: "Erst bei genauem Hinsehen habe ich die Tiere als Distelfalter identifizieren können. Diese Generation der Tiere ist wegen ihrer langen Reise relativ farblos. In der Fachsprache sagt man abgeflogen."
Der Falter-Nachwuchs, der in einigen Wochen bei uns schlüpfen wird, sei dann deutlich farbintensiver, versichert Burkhart. Die Falter selbst leben nur wenige Wochen. Wenn die Witterung für ihren Nachwuchs günstig bleibe, könnten die Insekten den gesamten Sommer über vermehrt auftreten: "Wahrscheinlich ist aber, dass die Population bald wieder deutlich abnimmt", sagt Stierstorfer.
Gefahr gehe von den Faltern keine aus, versichern beide Experten unisono: "Befürchtungen, die Raupen der Falter könnten für Schäden in der Landwirtschaft sorgen, sind völlig unbegründet. Bevor die Falter schlüpfen, ernähren sich die Tiere von Disteln und Brennnesseln", gibt Stierstorfer Entwarnung. Und Burkhart pflichtet ihm bei: "Als Schädling tritt der Distelfalter bei so extremen Vorkommen höchstens in Sojakulturen in Erscheinung. Zumindest in unserer Region wird aber kaum Soja angebaut. In ganz Bayern liegt die Anbaufläche gerade mal bei 400 Hektar."
Die Diskussion ist geschlossen.