Würzburger Lehrerin darf nach 42 Jahren nicht in den Ruhestand gehen
Die 63-Jährige ist eine leidenschaftliche Pädagogin. Jetzt reicht es ihr aber. Die Pläne von Kultusminister Piazolo durchkreuzen ihren Wunsch.
Sie wollte nach Südamerika fliegen in diesem Herbst. Nach Ecuador, genauer gesagt, in ein Land, das sie tief beeindruckt hat, als sie es vor vielen Jahrzehnten schon mal bereist hat. Aber aus der lang ersehnten Reise zum Ruhestandsbeginn wird nichts. Renate P. (Name geändert), die dienstälteste Lehrerin der Würzburger Graf-zu-Bentheim-Schule, einem Förderzentrum mit Schwerpunkt Sehen, darf nämlich auch nach 42 Dienstjahren noch nicht in den Ruhestand gehen. Sie muss weiter unterrichten, vielleicht ein Jahr noch, vielleicht auch mehr. So will es der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).
Vor rund zehn Tagen hat Piazolo nämlich ein Maßnahmen-Paket gegen Lehrermangel und zur Sicherung des Unterrichts vorgestellt, das unter anderem vorsieht, dass Grundschullehrer eine Stunde mehr arbeiten, dass Teilzeitarbeitskräfte mindestens 24 Stunden pro Woche im Einsatz sind, dass Sabbatjahre nicht mehr genehmigt werden und auch Anträge auf einen Beginn des Antragsruhestands vor Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr genehmigt werden. Abgesehen von der zwangsweisen Wochenstundenerhöhung treffen die Maßnahmen nicht nur Grundschullehrer, sondern auch Mittelschullehrer und Förderlehrer.
Lehrer sollen mehr arbeiten
„Ich habe im Radio von Piazolos Maßnahmen gehört, hatte gleich ein schlechtes Gefühl, gleich die Angst, dass es mich treffen könnte“, sagt P., die ihren vollen Namen ungern öffentlich machen möchte und ihre Geschichte auch nur deshalb erzählt, weil sie gefragt worden ist. Zwei Tage nach der Piazolo-Ankündigung habe die Schulleitung ihr dann tatsächlich eröffnet, dass sie aufgrund der neuen Weisungen aus München weitermachen müsse. „Dabei habe ich noch vor Weihnachten den Antrag gestellt, nach Schuljahresende aufzuhören. Bisher gab es nämlich eine Übergangsregelung, nach der man nach dem 64. Geburtstag in Ruhestand gehen darf. Und ich werde in diesem August 64 Jahre alt.“
Gegen Piazolos Maßnahmen-Paket gehen am Samstag in Würzburg zahlreiche wütende Lehrer auf die Straße, weil sie nicht einsehen, dass sie die „verfehlte Bildungspolitik des Kultusministeriums“ ausbaden müssen, wie es in Pressemitteilungen heißt.
„Sehr bitter“ fühlt sich die Neuregelung aus dem Kultusministerium auch für Renate P. an. Das liegt nicht daran, dass sie der Gedanke, weiter vor einer Klasse zu stehen, mit Entsetzen erfüllen würde. „Ich liebe meinen Beruf und ich liebe die Kinder und ich mache den Job immer noch gern und gut“, sagt die Förderlehrerin, die als äußerst engagierte und beliebte Lehrkraft gilt. Eine, die Eltern und Schülern zufolge vor dem Unterricht von den Kindern umarmt, am Wochenende manchmal angerufen und nach den Ferien mit Freude begrüßt wird. Eine, die in den vielen sehbehinderten, blinden und beeinträchtigten Kindern, die sie unterrichtet hat, immer den wissbegierigen, kompetenten, starken Menschen mit Potenzial gesehen hat. Eine, die ihre Schüler gefördert hat und dabei auf jeden einzelnen eingegangen ist. Sicher bekomme sie das Zusatzjahr noch hin, meint P. „Aber wenn man über 60 ist, merkt man eben jedes Extrajahr. Die körperliche Verfassung wird schlechter; man ist einfach nicht mehr so belastbar.“
Lehrerin arbeitete 42 Jahre mit behinderten Kindern
Und die Arbeit, die sie über vier Jahrzehnte geleistet hat, war fordernd. Sehr früh ist P. ins Berufsleben eingestiegen, schon mit 22 hatte sie ihr erstes Studium, Grundschullehramt, abgeschlossen, und startete ins Referendariat – der Zeitpunkt, ab dem die Dienstjahre gezählt werden. Ein Jahr arbeitete sie dann als Mobile Reserve, ein Jahr als Lehrerin für schwererziehbare Kinder. Sattelte dann noch ein zweijähriges Aufbaustudium als Förderlehrkraft Sehen drauf. Sie unterrichtete in den folgenden Jahrzehnten blinde Kinder, sehbehinderte Kinder, mehrfachbehinderte Kinder, taubblinde Kinder, wobei jede Behinderung eine neue Herangehensweise und neue Förderansätze verlangte, die erst mal gelernt werden mussten. Die ganzen 42 Jahre arbeitete P. in Vollzeit, obwohl sie selbst auch zwei Kinder bekam und großzog. „Es war gut. Aber es war auch viel und deshalb finde ich halt jetzt, dass es reicht“, sagt sie.
Als unfair empfindet sie den Umstand, dass in ihrem Fall der bayerische Staat als Dienstherr weniger die 42 in Vollzeit abgeleisteten Dienstjahre im Blick hat als den Umstand, dass sie im Herbst 2020 noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben wird. „Das ist nicht gerecht.“
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Tragisch.... Ich kann auch erst nach 48 Jahren in Rente gehen.
Lehrer arbeiten mit Abstand am wenigsten aller Berufe.
Ich habe schon als 14-Jähriger über 45 Wochenstunden
arbeiten müssen. Und nicht über 10 Wochen Urlaub gehabt.
Später musste ich dann 60 und mehr Wochen absolvieren,
weil das Arbeitspensum so gross war. Ich habe wohl recht
gut verdient, aber meine Gesundheit dafür eingetauscht.
Jedenfalls wäre ich glücklich gewesen, zu den Bedingungen
dieser Lehrerin arbeiten zu dürfen.
Augen auf bei der Berufswahl. Es steht jedem frei den Beruf des Lehrers zu wählen.
Sehr geehrte Dame, Sie haben meinen vollen Respekt und noch mehr meine absolute Anerkennung für Ihre bis dato geleistete Arbeit. Davor ziehe ich uneingeschränkt und Respektvoll meinen Hut! Dennoch verstehe ich Ihre Aufregung nicht ganz? Sie sind in einem dem Gesetz entsprechenden unkündbaren Beamtenverhältnis, mit einem Verdienst, von dem viele normal arbeitende Menschen nur träumen können. Ihre Rente, welche Sie beziehen werden, geht ebenfalls weit darüber hinaus, was sich ein normal Arbeitender Mensch je erträumen kann, ohne Zusätzliche Altersversorgung. Wenn ich 63 Jahre alt bin, habe ich 45 Jahre gearbeitet und muss meinem Geburtsjahr bedingt bis 65 arbeiten um meine Rente ohne Abzüge zu bekommen? Finden Sie das gerecht? Der normale Mensch und nicht Beamte arbeitet, falls Sie das noch nicht bemerkt haben mittlerweile bis 67! Haben Sie einen normalen Menschen damals erlebt, der sich an die Medien und Presse gewandt hat als die Regierung dieses Gesetz verabschiedet hat? Mit verlaub meine Dame Sie jammern auf sehr hohen Niveau! Lassen Sie sich das einfach mal durch den Kopf gehen und denken Sie darüber nach, in welcher Situation sich andere nicht Beamte befinden! Alleine Ihre Job- Garantie ist unbezahlbar in der heutigen Zeit! Warum sollten dann auch nicht Sie, wie Alle anderen länger arbeiten? 42 Jahre, ganz ehrlich das beeindruckt mich nicht, ich arbeite seit meinem 15 Lebensjahr! Sie monieren das nur, wegen einer geplanten Reise, welche Sie nun nicht antreten können, fragen Sie mal wie viel anderen Menschen in schlechter bezahlten Jobs das schon passiert ist.
" Der normale Mensch und nicht Beamte arbeitet, falls Sie das noch nicht bemerkt haben mittlerweile bis 67!"
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Das ist auch einer der Gründe, warum die Glaubwürdigkeit der Politik mittlerweile gegen Null tendiert.
Bei Einführung der Rente mit 67 hat man uns erzählt, dass dies wirkungsgleich auf das Beamtentum übernommen wird.
Und, ist dies umgesetzt worden?
Mittlerweile erzählt man uns, wir müssen bald bis 69 arbeiten, geht nicht anders.
Die Franzosen gehen mit 62 in Rente, die Griechen bis vor kurzem noch mit 59 !!
Und uns Deutschen gehts angeblich so gut, dass wir die Südländer in der EU finanziell unterstützen müssen ?!?!
Hab mal gegooglt. Pensionen werden genauso gekürzt wie renten. Gilt ebenfalls die 67 - 45 -35 regelung wie bei der gesetzlichen rente. Ausnahme polizisten, feuerwehrmänner und jva-wärter. Und wie bei der gestzlichen behinderte.
Um was es der dame scheinbar geht, ist eher das sie nicht in frühpension gehen kann. Nach dem googleergebnis müsste sie abschläge hinnehmen. Steht hier nichts im artikel ob mit oder ohne. Welcher rentner würde es ok finden, wenn seine frührente mit abschlägen einfach gestrichen wird?
Zum verdienst. Lehrer haben studiert. Wer studiert hat und entsprechend arbeitet möchte das auch bezahlt haben. Oder welcher ingenieur möchte als mechaniker bezahlt werden?