Schüsse in der Regionalbahn: Warum schoss der Augsburger?
Nach der spektakulären Zugschießerei auf dem Weg nach Kempten ist der 44-jährige Augsburger aus dem Koma erwacht. Warum auf Polizisten gefeuert wurde, bleibt ein Rätsel.
Sieben Wochen nach der spektakulären Schießerei im Regionalzug von München nach Kempten ist einer der Schützen, ein 44 Jahre alter Augsburger mit kasachischen Wurzeln, aus dem Koma erwacht. Eine Aussage zu den Vorfällen im Alex lehnt er jedoch ab. Der Mann war nach dem Schusswechsel mit Beamten der Bundespolizei bei Tempo 100 aus dem fahrenden Zug gesprungen – wie sein 20-jähriger Kumpel.
Während der Komplize nahe Kaufbeuren vom Zug erfasst und getötet wurde, kam der 44-Jährige mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus. Er war laut Ermittlern mit dem Kopf auf das Schotterbett der Gleise geprallt. Zudem war er beim Schusswechsel offenbar von mehreren Polizeikugeln getroffen worden.
Der Angeklagte verweigert die Aussage
Inzwischen befindet sich der 44-Jährige laut Kemptener Staatsanwaltschaft in einer „Therapieeinrichtung unter Bewachung“, da Fluchtgefahr bestehe. Wann der Mann die reguläre Untersuchungshaft in einem Gefängnis antreten kann, sei noch unklar.
Bei seiner Vernehmung durch die Polizei hat der 44 Jahre alte Tatverdächtige am Donnerstag vom Recht Gebrauch gemacht, die Aussage zu verweigern. „Er schweigt“, sagte der Sprecher der Kemptener Staatsanwaltschaft, Gunther Schatz, unserer Redaktion. Nach seinen Worten dauern die weiteren Ermittlungen an.
Rund 100 Fahrgäste des voll besetzten Zugs sind inzwischen vernommen worden. In dem Regionalexpress hatten sich rund 400 Reisende befunden, als es an jenem Freitagnachmittag Mitte März zu dem Schusswechsel kam.
Die Männer zückten plötzlich täuschend echte Schusswaffen
Der 44-Jährige und sein 20 Jahre alter russischer Komplize hatten bei einer Personenkontrolle durch zwei Bundespolizisten plötzlich täuschend echt wirkende Schreckschusswaffen gezückt. Bei der anschließenden Rangelei wurde ein 57-jähriger Bundespolizist durch massive Schläge mit einer Pistole auf den Kopf schwer verletzt.
Zudem entwendeten die Täter eine der beiden Dienstwaffen und feuerten damit auf den anderen Beamten der Bundespolizei. Der 44-Jährige erlitt einen Oberschenkel-Durchschuss. Ein weiteres Projektil traf die Schussweste des Beamten, die ihm wohl das Leben rettete. Die weitere Schießerei in dem Zug zog sich über mehrere Waggons hin, ehe die Täter schließlich zwei gegenüberliegende Türen entriegelten und aus dem Alex sprangen.
In der Bahn wurden 15 bis 22 Schüsse abgegeben
Laut Staatsanwalt Schatz sind in dem Zug nach jetzigem Kenntnisstand zwischen 15 und 22 Schüsse abgegeben worden. Aufwendige Untersuchungen des Münchner Fahndungsdezernats sollen belegen, wer welche Projektile abgefeuert hat. Nur so lasse sich herausfinden, welche Taten dem überlebenden und welche dem toten Täter zuzuordnen sind. Vom Ergebnis dieser Untersuchungen wird unter anderem abhängen, wie die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet.
Weiterhin ungeklärt sind auch die Fragen, wohin das Duo reiste und weshalb es die Schreckschusspistolen mit sich führte. In Polizeikreisen geht man davon aus, dass die beiden Augsburger eine Straftat mit Waffeneinsatz im Sinn hatten oder aber ein Treffen planten, bei dem die Pistolen dem eigenen Schutz dienen sollten – etwa bei einem Drogengeschäft. Indiz für Letzteres könnte sein, dass im Blut des 44-jährigen Täters offenbar Spuren von Betäubungsmitteln nachgewiesen wurden.
Polizisten leiden immer noch an den Folgen
Die beiden Bundespolizisten leiden noch immer an den Folgen des Schusswechsels. „Der angeschossene Beamte befindet sich derzeit in einer Reha-Einrichtung“, erläutert Klaus Papenfuß von der Bundespolizeidirektion München. Dessen 57-jähriger Kollege hatte durch die massiven Schläge auf den Kopf mehrere Platzwunden erlitten. Außerdem zog er sich ein Knalltrauma zu. „Es wird wohl noch Monate dauern, bis beide wieder auf dem Damm sind“, schätzt Papenfuß.
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