Prozess um "Müllbaby": Angeklagte schuldfähig
Überraschende Wende im Revisionsverfahren um die kleine Sheila aus Illertissen: Entgegen der ersten Experten-Einschätzung sind die angeklagten Eltern durch ein psychiatrisches Gutachten nun als schuldfähig eingestuft worden.
Memmingen/Illertissen (dpa/lby) - Im Revisionsverfahren um die vernachlässigte Sheila in Illertissen vor dem Landgericht Memmingen sind die angeklagten Eltern durch ein psychiatrisches Gutachten als schuldfähig eingestuft worden. Ihnen wird Körperverletzung und grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht vorgeworfen. Jetzt droht den beiden eine empfindliche Haftstrafe.
Das abgemagerte, völlig apathische Kind war im März 2007 in einer total verdreckten Wohnung in Illertissen gefunden worden. Die Angeklagten räumten am Donnerstag vor Gericht die Verwahrlosung der Wohnung ein, wiesen die Vernachlässigung des Kindes aber zurück. Im ersten Verfahren war die Mutter zu 9 Monaten, der Vater zu 21 Monaten Haft verurteilt worden.
Der heute 23 Jahre alte Vater des Kleinkindes, das inzwischen bei der Großmutter lebt, sagte, er sei unmittelbar nach der Geburt seines Kindes im Januar 2007 mit der Vaterrolle überfordert gewesen. Dadurch hätten sich für ihn Schwierigkeiten ergeben, die zur Vernachlässigung der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter des Kindes geführt hätten. Die drei Katzen in der Wohnung seien aber in einem eigenen Zimmer gehalten worden und hätten mit dem Baby keinen direkten Kontakt gehabt. An seiner kleinen Tochter sei ihm nur einmal ein Durchfall aufgefallen. Daraufhin seien sie zum Arzt gegangen.
Die 22 Jahre alte Mutter erklärte, sie habe ihr Baby nicht vernachlässigt und das Kind regelmäßig gefüttert. Sie räumte aber ebenfalls ein, dass zum Zeitpunkt der Wegnahme des Kindes die Wohnung stark verdreckt, verraucht und unbelüftet gewesen sei. Die Mutter der Angeklagten, wo das Enkelkind jetzt lebt, sagte als Zeugin, die Wohnung ihrer Tochter sei "für normale Menschen nicht zum Aushalten gewesen". Es habe gestunken und sei dreckig gewesen. Als ihr das Kind gebracht worden war, sei es völlig apathisch ohne normale Reaktionen gewesen.
Vertreter des Jugendamtes Neu-Ulm beschrieben die Zustände in der Wohnung des jungen Paares als zunächst akzeptabel, die sich dann aber bis zum "katastrophalen Großchaos" verschlimmerten hätten. Als die beiden Angeklagten bis zu einer festgelegten Frist nicht für Abhilfe sorgten, habe man den Eltern das neun Wochen alte Kind bei einem Polizeieinsatz abnehmen müssen. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war dem Säugling die notwendige medizinische Versorgung vorenthalten worden. Der psychiatrische Gutachter sagte, die Angeklagte habe zwar Verwahrlosungstendenzen entwickelt, ihre Einsichtsfähigkeit sei aber nicht beeinträchtigt gewesen. Der Prozess wird fortgesetzt.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens um das Schicksal der kleinen Sheila droht den Eltern der Gang hinter Gitter. Beide haben bereits einiges auf dem Kerbholz und wurden nun von der Staatsanwaltschaft angeklagt, gemeinsam aus der Wohnung einer Bekannten Gegenstände gestohlen zu haben.
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