Vero im Test: Das kann der Facebook-Konkurrent
Das Netzwerk Vero katapultiert sich innerhalb weniger Tage auf Platz eins der App-Downloads. Es verspricht, sozial zu sein - und steht doch in der Kritik.
Zu viel Werbung, zu unsozial: Die Kritik an den etablierten sozialen Netzwerken wird lauter - vor allem an den sogenannten Algorithmen, die ordnen, was die Nutzer in ihren Feeds sehen. Plattformen wie Facebook und Instagram zeigen nicht alle Inhalte von Seiten an, denen die Nutzer eigentlich folgen. Die Unternehmen begründen den Filter damit, dass sich die Menschen sonst durch tausende Inhalte kämpfen müsste – und das tagtäglich. Die Algorithmen können somit die Reichweite eindämmen. Besonders betroffen davon sind Influencer, also Menschen, die Geld damit verdienen, dass ihre Posts mit werblichen Inhalten andere Nutzer erreichen.
Vor einigen Tagen – mitten in die Frustration über soziale Netzwerke – tauchte plötzlich Vero auf, ein neues soziales Netzwerk. Wobei neu nur bedingt stimmt. Bereits seit 2015 gibt es die App, doch bislang war sie so unbedeutend, dass sie in keinen App-Charts gelistet war. Wie hat es die Anwendung geschafft, innerhalb kurzer Zeit einen ähnlichen Hype auszulösen wie „Pokémon Go“ vor zwei Jahren?
Probleme bei der Vero-Anmeldung
Zunächst einmal verspricht die App, wirklich sozial zu sein. Das heißt: keine Werbeinhalte, keine Posts von Leuten, die wir nicht kennen, keine undurchsichtigen Algorithmen. Tatsächlich greift die App damit den Wunsch vieler Nutzer auf. Für den Hype sind aber vor allem diejenigen verantwortlich, die wohl am meisten von der Anwendung profitieren dürften: Influencer. Da bei der App Beiträge chronologisch erscheinen und nicht von einem Algorithmus sortiert werden, erreichen sie theoretisch all ihre Follower.
Es ist zumindest auffällig, dass sich sehr viele Influencer nahezu parallel öffentlich zu Vero bekannt haben. Auch einige Schauspieler und Stars haben ihren Wechsel zu Vero öffentlich verkündet. Zufall? Mutmaßungen, dass es sich um eine organisierte Werbekampagne für das soziale Netzwerk handelt, streiten die Beteiligten ab. Ob Vero dauerhaft werbefrei bleiben wird, wenn Influencer ihre Produkte in Posts platzieren, ist ebenso mehr als fraglich.
Viele, die sich für Vero entschieden haben, erlebten jedoch erst einmal Ernüchterung. Aufgrund überlasteter Server scheiterten viele Nutzer bereits an der Anmeldung.
Die Registrierung unterscheidet sich zunächst nicht von Facebook, Instagram und Co. Im ersten Schritt sind der volle Name, eine Mailadresse und ein Passwort notwendig. Bereits der zweite Schritt sorgt jedoch für Unbehagen. Die App, die sich auch dem Datenschutz verschrieben hat, verlangt die Handynummer des Nutzers – angeblich zur Verifikation.
Vero erschwert es Nutzern, den Account zu löschen
Die Anwendung selbst wirkt aufgeräumt und übersichtlich. Sie ist in den Farben Schwarz, Türkis und Weiß gehalten. Bereits die Startseite zeigt, worauf Vero sein Hauptaugenmerk legt: Man kann seine Kontakte in drei Gruppen einteilen – enge Freunde, Freunde und Bekannte. Pro Post können Nutzer also entscheiden, mit wem sie ihre Inhalte teilen möchten.
Apropos Post: User können keine klassischen Textnachrichten veröffentlichen, dafür aber Fotos, Links oder Musik teilen. Welche Serie sie sehen, welches Buch sie lesen oder wo sie sich gerade befinden, können Nutzer über eine spezielle Funktion ebenso mitteilen. Wie in anderen Netzwerken kann man Beiträge liken, kommentieren und teilen. Über eine Chatfunktion verfügt die App ebenfalls. Während im Internet einige Nutzer Veros „gutes Design“ und „tolles Konzept“ loben, beschweren sich andere über Verbindungsprobleme und einen mangelndes Datenschutz.
Wer seinen Account wieder löschen will, muss lange suchen. Ohnehin machen es soziale Netzwerke ihren Nutzern nicht einfach, das eigene Konto zu löschen. Bei Vero ist diese Option besonders versteckt. Nutzer können zudem ihren Account nicht sofort löschen, sondern sie müssen eine Lösch-Anfrage inklusive Feedback an den Kundenservice der App schicken. Dieser kümmere sich dann um das Anliegen, heißt es in einer Mail.
Vero-Gründer steht in der Kritik
Auch der Gründer der App ist umstritten. Ayman Hariri ist ein libanesischer Milliardär und Sohn des 2005 ermordeten Premierministers Rafiq al-Hariri. Zuvor leitete er eine Baufirma, als diese pleite ging, warteten die Arbeiter zum Teil monatelang auf ihr Gehalt. Ayman Hariri sagte einmal, er habe das soziale Netzwerk entwickelt, weil er wegen der anderen Plattformen frustriert gewesen sei. Nun jedenfalls erlebt seine Erfindung einen ungeahnten Höhenflug. Vero warb damit, dass die erste Million Nutzer nichts für die App zahlen muss. Die eine Million ist längst erreicht, die Anwendung kostet aber nach wie vor nichts. Dennoch sollen, so der Gründer, irgendwann Nutzer über Beiträge die App finanzieren.
Fazit: Eine Rückbesinnung auf das, was soziale Netzwerke ausmachen – nämlich mit Bekannten, Freunden und Familie in Kontakt zu treten und zu bleiben – ist tatsächlich wünschenswert. Klar können irgendwelche Videos lustig sein, auf Dauer nerven sie jedoch und entstellen den Sinn der Plattformen.
Ob sich Vero nun allerdings dauerhaft etablieren kann, ist fraglich. Datenschutz, Serverprobleme, kompliziertes Deinstallieren – es gibt noch viel zu tun in der App. Zudem hat sich der umstrittene Gründer noch nicht zu monatlichen Beiträgen geäußert. Und zur Erinnerung: Als Facebook und Instagram aufkamen, gab es dort weder einen Algorithmus, der Nutzern in vielen Fällen Inhalte anzeigte, die diese nicht sehen wollten, noch Werbung.
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