Flüchtlinge auf Zeit in Lauingen
Seit 40 Jahren lebt Ahmet Yanik in Deutschland. Warum er und seine Familie nun in einem Asylbewerberheim in Lauingen wohnen müssen
Das neue Leben von Ahmet Yanik und seiner Familie umfasst nur wenige Quadratmeter. Drei Holzbetten, trister grauer PVC-Boden, ein kleiner weißer Schrank. In der Ecke steht ein Wäscheständer, daneben lagern in einem Karton Lebensmittel. Das Zimmer mit den blau-gelb gemusterten Vorhängen liegt in einer Asylunterkunft in Lauingen – nur sind Ahmet Yanik, seine Frau und sein Stiefsohn keine Asylbewerber.
Die Geschichte beginnt in der Silvesternacht: Es ist kurz nach Mitternacht. Yanik steht draußen auf der Straße, vor dem Haus, in dem er eine Wohnung im ersten Stock gemietet hat. Plötzlich ruft ein Nachbar nach ihm. Im Dachgeschoss brennt es. Yanik hetzt die Treppen hinauf, stößt die Tür zum Dachgeschoss auf, Flammen lodern ihm entgegen. Yanik rennt wieder nach unten, füllt in der Badewanne einen Eimer mit Wasser, hastet wieder nach oben, versucht, zu löschen. Zwecklos. Minuten später rückt die Feuerwehr in der Herzog-Georg-Straße an. Das Wasser, mit dem die Einsatzkräfte gegen die Flammen kämpfen, dringt durch die Holzdecken des alten Hauses in die Wohnung von Ahmet Yanik, tropft durch die Wohnzimmerdecke weiter nach unten ins Erdgeschoss, wo der 52-Jährige eine Gastronomie betreibt.
„Alles ist unbewohnbar geworden“, sagt Ahmet Yanik. Er sitzt im Esszimmer der Lauinger Flüchtlingsunterkunft, einem schmucklosen Raum mit einigen an die Wand gerückten schwarzen Stühlen und einer Eckbank mit zerschlissenem Bezug. Dann zieht er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche, streicht über den Bildschirm, bis zwei Fotos erscheinen, die das ganze Ausmaß des Unglücks jener Nacht zeigen: Große Wasserflecken prangen an der Decke und den Wänden, die Tapeten lösen sich ab. Auch auf dem Boden steht Wasser. Möbel, Kleidung, Elektrogeräte – alles ist unbrauchbar geworden. „Ich habe schon zwei Container Müll entsorgt“, sagt Yanik.
Die ersten Nächte nach dem Brand verbrachte die Familie in einem Hotel in Lauingen, dann zog sie in eine Ferienwohnung. Nun sind sie in der Asylbewerberunterkunft untergebracht, leben mit zehn anderen Bewohnern zusammen, teilen sich mit ihnen eine Küche, eine Dusche, eine Toilette. „Wir sind fix und fertig“, sagt Yanik. „Ich habe nichts gegen Asylbewerber. Aber ich bin keiner. Ich lebe seit 40 Jahren in Deutschland, seit meinem zwölften Lebensjahr. Ich fühle mich wie ein Deutscher. Ich bin hier aufgewachsen“, sagt er und schüttelt den Kopf, so, als wolle er das alles nicht wahrhaben.
Er habe sich schon für mehrere Wohnungen beworben, nicht nur in Lauingen. Bislang aber habe er keine bekommen. „Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich Ausländer bin“, sagt er. Und außerdem habe er das Gefühl, dass viele Vermieter abgeschreckt seien, wenn er erzählt, dass es in seinem Haus gebrannt hat. Aber so, wie es jetzt ist, so könne es einfach nicht weitergehen. „Wir schlafen nicht mehr, liegen die ganze Nacht wach. Bisher wollte uns niemand helfen“, sagt er. Sechs bis acht Monate könne es dauern, bis das Haus in der Lauinger Herzog-Georg-Straße renoviert ist – so lange aber will die Familie nicht in der Asylbewerberunterkunft wohnen. „Aber was sollen wir machen? Wir können nirgendwo hin.“
„Es ist so, dass wir in Lauingen keine klassischen Wohnungen für Obdachlose haben“, sagt Lauingens Bürgermeister Wolfgang Schenk. Früher habe es so ein Haus gegeben, in dem nur Obdachlose untergebracht wurden. Mittlerweile aber hat das Gebäude einen anderen Nutzen, erläutert Schenk. „Wir haben die Familie zuerst in einem Hotel und dann in einer Ferienwohnung untergebracht. Aber auf Dauer ist das zu teuer. Deswegen haben wir nach einer anderen Lösung gesucht“, fährt Schenk fort und fügt hinzu: „Der Wohnungsmarkt ist derzeit relativ schwierig.“ Bezahlbare Wohnungen bei der Baugenossenschaft etwa seien derzeit nicht frei. „Wir suchen für die Familie mit. Wir sehen uns dafür auch in der Verpflichtung“, sagt Schenk.
Dass die Familie überhaupt einen Platz in einer Asylbewerberunterkunft bekommen hat, liegt daran, dass der Flüchtlingszustrom derzeit nicht so groß ist. „Momentan haben wir einen gewissen Puffer. Die Zuweisungen liegen bei einem Drittel von dem, was wir vor Weihnachten hatten“, sagt Peter Alefeld vom Landratsamt Dillingen und fügt hinzu: „Aber ich denke, dass die Zahlen auch wieder nach oben gehen. Bei Bedarf muss die Familie dann den Platz räumen.“
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