Raiffeisenbank Rain: Alles begann vor 100 Jahren mit 24 Bürgern
Die Raiffeisenbank der Lechstadt Rain ist heuer 100 Jahre alt. In dieser langen Geschichte hat es manch Kurioses gegeben.
Es war eine traurige, arme und von Not geprägte Zeit, damals Anfang des Jahres 1921: Der Erste Weltkrieg war seit gut zwei Jahren zu Ende, und das Land sowie die Bevölkerung waren am Boden. Viele Männer waren gefallen. In der Heimat herrschten Not und Mangel an Lebensmitteln. Deutschland wurde von den Siegermächten zu enormen Reparationszahlungen verurteilt. Die Räterepublik wurde ausgerufen. Trotz all dieser sozialen und politischen Umstände blickten damals 24 Rainer Bürger optimistisch nach vorne. Sie fassten den Mut, einen „Darlehenskassenverein Rain und Umgebung“ zu gründen. Das war der Beginn der bis heute 100-jährigen Erfolgsgeschichte der Raiffeisenbank Rain.
Am 13. März 1921 war die Gründung in Rain
Am 13. März 1921 kamen sie auf Einladung von Castulus Schiele in der Gastwirtschaft Zum Karrer (heute Phat Dat) zusammen. Zu Vorstandsmitgliedern wurden folgende Rainer Bürger gewählt: Hans Schmelcher (Gastwirt), die Landwirte Castulus Schiele, Anton Wintermayr und Max Raab sowie Carl Baumgartner (Mechaniker). Dem Aufsichtsrat gehörten an: August Mattes (Stadtprediger), die Landwirte Mathias Wiedemann und Leonhard Augustin, Hans Feil (Molkereibesitzer) sowie Josef Kettner (Gastwirt). Der erste Geschäftsführer der neu gegründeten Bank war Alfred Bauer.
Die ersten Geschäftsräume wurden im Gebäude der Bauerschen Buchhandlung und Buchdruckerei eingerichtet, in jenem Gebäude in der Hauptstraße 72 (im Spitz zwischen Hauptstraße und Spitalgasse), das 2019 abgebrochen wurde.
In einem Inserat aus dem Gründungsjahr 1921 stellt sich der „Darlehenskassenverein Rain und Umgebung“ folgendermaßen dar: „Annahme von Anlehen und Spareinlagen, Darlehen an Mitglieder, Vermittlung von Wertpapieren, Eröffnung laufender Rechnungen, Scheckverkehr, Annahme von Wertpapieren zur Verwahrung und Verwaltung, Einlösung von Zinsscheinen usw., usw. Über alle Vermögensangelegenheiten der Kunden wird unbedingtes Stillschweigen bewahrt auch gegenüber Behörden, soweit nicht gesetzliche Auskunftspflicht besteht.“
Kommunen druckten ihr eigenes Notgeld
Durch den verlorenen Krieg, die auferlegten Reparationszahlungen und die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage hatte die Bevölkerung kein Vertrauen mehr in die offizielle Staatswährung. Immer mehr Städte, Gemeinden und sogar Firmen druckten ihr eigenes Geld, das sogenannte Notgeld. Eine noch schwierigere Zeit gab es zwei Jahre nach Gründung der Bank. Denn 1923 kam es zur sogenannten Hyperinflation. Der Wert des Geldes sank in rasantem Tempo. Es wurden Inflationsbanknoten gedruckt, die Werte in schwindelerregenden Höhen aufwiesen. Gutscheine in Höhe von 1 Million Mark oder gar 5 Billionen Mark gehörten zum Alltag. Das Geld war nichts mehr wert.
Die junge Rainer Bank überstand auch diese harte Phase und schaffte es, ihre Existenz in wirtschaftlich stabilere Zeiten zu retten. Am 29. September 1926 kaufte der Darlehenskassenverein das Rothmund’sche Anwesen in der Bahnhofstraße für 8000 Goldmark. Ab 1934 firmierte er unter dem Namen „Landwirtschafts- und Gewerbebank“ und sprach somit auch die Gewerbetreibenden an. Eine kluge Entscheidung, das Klientel zu vergrößern. Der damalige Vorstand Anton Weiß baute die Bank auch im Sinne des Genossenschaftsprinzips aus. Die Bank erwarb eine Kartoffel-Dämpfkolonne, einen Lanz-Acker-Bulldog, eine Wiesenwalze, einen Sackpflug, eine Scheibenegge und eine Dreschmaschine. Alle Geräte konnten von den Mitgliedern in Anspruch genommen werden. Auch erstellte man in den Rückgebäuden der Bank eine Gemeinschaftswäscherei mit Bügelstube und Heißmangel. Ein Kunstdünger- und Kohlelager war ebenfalls vorhanden. Sogar Gasöl konnten die Bauern tanken.
Das Kundenaufkommen wuchs, das Gebäude der Bank wurde zu klein. 1955 wurde ein Neubau beschlossen, den das Rainer Baugeschäft Stolz ausführte. In der Bahnhofstraße entstand das Anwesen mit Erdgeschoss, erstem und zweitem Stock. Es steht noch heute, wurde lediglich später erweitert.
Im Jahr 1969 kam Manfred Strasser als neuer Geschäftsführer und brachte etliche Erneuerungen mit sich. Unter anderem kamen nun auch Kunst und Kultur in die Bank, deren Gebäude mehrfach um- und angebaut wurde.
Uli Hoeneß kam zur Autogrammstunde nach Rain
Höhepunkte waren unter anderem Autogrammstunden mit Uli Hoeneß oder der TV-Moderatorin Anneliese Fleyenschmidt. Das Kreditinstitut erlebte nun eine wahre Blütezeit. Auch in der Werbung ging die Bank neue Wege. Unter der Rubrik „Für Sie notiert von Ihrer Raiffeisenbank“ wurden regelmäßig kleine Witze veröffentlicht wie etwa dieser: „Wissen Sie, was Elektrizität ist? Morgens mit Hochspannung aufstehen, mit Widerstand zur Arbeit gehen, abends geladen nach Hause kommen und eine gewischt kriegen …“
Etwas ganz Besonderes war der "Autoschalter"
Ein Novum in Rain war der „Autoschalter“ der Raiffeisenbank. In ganz Bayern gab es da nur ganz wenige, und etliche Bankdirektoren besuchten das Rainer Kreditinstitut, um sich über solch einen Autoschalter zu informieren. Der Kunde konnte dort seine kurzen Bankgeschäfte – wie Auszüge abholen oder Geld ein- und auszahlen – vom Auto aus erledigen. Heute kennt man so etwas nur vom Drive In etwa bei McDonalds.
Im Jahr 1973 wurde in der Bank ein Münzsammlerclub gegründet. Man traf sich regelmäßig in der Bank, um Kenntnisse und Münzen auszutauschen. Das Sammeln von Münzen war damals sehr populär. Ab 1977 wurden unter Obhut der Bank sogar fünf internationale Münzbörsen organisiert, die im Schloss, im Schulzentrum und im Gasthof Lutz stattfanden.
Die Bilanzsumme der Bank wuchs Jahr um Jahr. Das Kundenvolumen ebenso. Also war 1983/84 erneut ein stattlicher Neu– und Umbau angesagt: Das Anwesen der Bank wurde erneut aufgestockt.
Es gab auch eine Lotto-Annahmestelle
Neben dem Finanzwesen gab es zahlreiche andere Betätigungsfelder, in denen sich das Kreditinstitut betätigte: Unter anderem betätigte es sich auch als „Buchverlag“ und unterstützte etliche Bildbände über die Heimat. Eine Lotto-Annahmestelle war zeitweise in den Räumen integriert, bei Bürgerfesten stellte die Bank eine Schiffsschaukel und intern wurde ebenfalls Geselligkeit gepflegt bei Betriebsausflügen bis nach Paris oder Faschingstreiben der Belegschaft zusammen mit den Kunden.
1999 erfolgte der bis dato letzte Umbau. Erneut sah sich die Raiba in der Situation, dem Wachstum auch durch räumliche Erweiterung Rechnung tragen zu dürfen. Zur selben Zeit kaufte sie über 40 Meisterwerke, Urkunden und Auszeichnungen des surrealistischen Künstlers Jean Daprai, der einen Teil seiner Kindheit in Rain verbracht hat. Diese Gemälde schmücken seither die neue Bank. Es entstand das Jean-Daprai-Museum. Auch sonst wurde das Unternehmen ein engagierter Partner der Öffentlichkeit im kulturellen Sektor: Unter anderem wurden regelmäßig Konzerte aller Art im hauseigenen Saal abgehalten, nicht zuletzt die Veranstaltungsreihe „Jazz in Rainkultur“.
Im Laufe der jüngeren Geschichte hat sich die Bank allen Erfordernissen der modernen Zeit angepasst. Seit 2016, fusioniert mit der Raiffeisenbank Neuburg, bedient sie noch mehr Kunden – zunehmend auch im digitalen Geschäft – und hat sich zu einer Bilanzsumme von 1,29 Milliarden Euro gesteigert. Wie Online- banking funktioniert, daran hätte man vor 100 Jahren nicht zu denken gewagt. Castulus Schiele und seine Mitstreiter jedenfalls hätten damals, am 13. März 1921, nur verständnislos den Kopf schütteln können ...
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