Versuchter Totschlag: Nächste Runde im Prozess
Am Augsburger Landgericht läuft der Prozess wegen versuchten Totschlags. Die Rekonstruktion des Abends ist aber schwierig.
Den Prozessbeteiligten die Wahrheit zu entlocken, ist für Gerichte oft schon dann nicht einfach, wenn sich die Beteiligten klar erinnern können. Im Prozess vor dem Augsburger Landgericht, in dem sich ein Nördlinger wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags und möglicherweise auch des versuchten Mordes verantworten muss, ist die Suche nach der Wahrheit noch ein Stück schwieriger. Entweder waren die Zeugen zum Tatzeitpunkt so betrunken, dass ihnen Bruchteile des Abends fehlen – „Filmriss“. Oder aber der Tatzeitpunkt liegt schon so lange zurück, dass sie diesen Abend nicht mehr so genau in Erinnerung haben. „Ich weiß nicht mehr “ – ein Satz, der vor Gericht oft fiel.
Am ersten Verhandlungstag am Donnerstag sind deshalb nur Bruchstücke der Tatnacht rekonstruiert worden. Vor der Nördlinger Kneipe hat es ein Gerangel wegen einer heute 18-Jährigen gegeben. Ein 27-Jähriger ging schließlich mit einem Taschenmesser auf seinen Kontrahenten los, weil dieser ihm wohl schon zum wiederholten Mal eine Frau weggeschnappt hatte. Die Folge: zwei kleine Schnitte am Hals. Ein Barkeeper verhinderte Schlimmeres, in dem er dazwischen ging und den mutmaßlichen Täter entwaffnete. Das sind die übereinstimmenden Fakten, die sich mit den Aussagen mehrerer Zeugen decken.
Den Angriff nicht gesehen
Was allerdings bislang nicht weitreichend bestätigt werden konnte, ist ein Teil der Aussage des Geschädigten. Der führte nämlich aus, dass er mit dem Rücken zu seinem Freund gestanden sei und somit den Messerangriff des 27-jährigen Nördlingers nicht gesehen habe. Die Vorsitzende Richterin des Schwurgerichts, Susanne Riedel-Mitterwieser, gab am Donnerstag deswegen den rechtlichen Hinweis, dass anstelle von versuchtem Totschlag versuchter Mord mit dem Mordmerkmal Heimtücke in Betracht kommen könnte.
Ein weiterer Bekannter des Geschädigten sowie der Kneipenbesitzer, die am Montag als Zeugen aussagen, geben jedoch an, dass sich die Kontrahenten gegenüber gestanden seien, lediglich gering voneinander abgewandt. Die zwei sollten eigentlich bereits am ersten Verhandlungstag aussagen. Weil sie die Ladung ignorierten, bringt sie die Polizei am Montag persönlich ins Landgericht.
Keine Erinnerung an einen Kuss
Interessante, wenngleich unspezifische Angaben macht am Montag die Zeugin, wegen welcher der Angeklagte Claudio E.* (Name geändert) unter anderem das Messer gezogen haben könnte. „Ich glaube, er dachte, dass er eine Chance bei mir hat, weil ich nett zu ihm war. Als ich das bemerkt habe, bin ich aber auf Distanz gegangen“, sagt die junge Frau. E. sei sauer gewesen, habe es nochmals bei ihr versucht. Danach soll sie gesagt haben, dass aus ihnen nichts werde. Die Vorsitzende Richterin will schließlich wissen, ob sie denn mit dem Opfer Zärtlichkeiten ausgetauscht habe. Mehrere Zeugen berichteten von dem provokanten Kuss des Opfers auf der Brücke. Darauf sagte die 18-Jährige: „Nein, davon weiß ich nichts mehr.“
Sie könne sich noch daran erinnern, dass sie und Freunde zum Geschädigten nach Hause gingen, mehr aber nicht. Auch bezüglich des Messerangriffs könne sie sich nur noch daran erinnern, dass der Barkeeper dazwischen gegangen sei. Dem Barbesitzer und dem anderen Zeugen ist der Kuss allerdings in Erinnerung. Zum Schluss des zweiten Verhandlungstags äußert sich der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen. Nach seinem abgebrochenen Hauptschulabschluss sei er mehr und mehr dem Alkohol verfallen, dazu seien Drogen gekommen, später Antidepressiva. Eine Therapie sei gescheitert.
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