Warum sind die Bauern so ruhig geworden im Donau-Ries-Kreis?
Der Herbst war auch in der Region geprägt von Bauernprotesten. Was davon geblieben ist und wie es weitergehen könnte. Ein Hofbesuch.
Es dreht sich alles um den Hof, die Felder, die Aussaat, die Ernte. Das Säen, Wachsen und Ernten, es bestimmt den Alltag der Näßls in Nordheim. Das sei in Ordnung so, alles gut, es gehe ja dabei ums Wesentliche. Man sei immer nah dran, an dem, was wichtig ist für das Leben, sagt Michael Näßl. Was aber den Alltag der Landwirte ebenso bestimme, das seien die Mühlen der Bürokratie. Auflagen, behördlicher und wirtschaftlicher Druck, immer mehr Dokumentationen, Formulare. Gegen all das ging und fuhr Näßl wie Hunderte weitere Bauern aus dem Donau-Ries-Kreis auf die Straßen. In den vergangenen Monaten ist es ruhig geworden. Haben die Landwirte etwas erreicht? Was ist geblieben vom Protestwinter?
Michael und Michaela Näßl sind in der Rush Hour des Lebens: Drei kleine Kinder haben sie zu versorgen, ihre Felder zu beackern, den Hof zu managen. Mit 37 und 36 Jahren stehen sie mitten im Leben. Der Beruf mache ihnen Freude, er gebe ihnen etwas, sei nicht nur Broterwerb. Obwohl er auch Unsicherheiten berge, mit denen die Familie zurecht kommen müsse, wie Michael Näßle sagt: "Man weiß an keinem Tag, was einen erwartet." Ob eine Maschine zu reparieren ist, das Wetter für die Feldarbeit passt oder nicht, ein Helfer einspringen kann oder die Planung komplett umgekrempelt werden muss. Mit all dem könne man zurechtkommen, doch Näßl sagt auch, er merke, dass sich in den vergangenen 13 Jahren viel verändert hat, seit er den Hof seines Großonkels an der Rainer Straße in Nordheim übernommen hat. Er ist Ackerbauer, erntet Weizen, Hafer, Kartoffeln, Raps, Ackerbohnen - aber er ist auch ans Büro gefesselt. Letzteres nehme zu viel Raum ein, fresse Zeit, Ressourcen, Nerven. Nicht nur bei ihm, sondern bei allen Landwirten. Viele hätten gerade auch deshalb die Nase voll. Einige werfen hin.
3400 Höfe im Donau-Ries-Kreis Ende der 1990er Jahre
Ende der 1990er Jahre gab es im Landkreis Donau-Ries noch gut 3400 landwirtschaftliche Betriebe. Bis 2016 sank diese Zahl laut dem Wertinger Landwirtschaftsamt auf 2355. Zuletzt ging es, wie der Bayerischen Bauern-Verband (BBV) auf Nachfrage der Redaktion berichtet, nochmal runter, auf aktuell etwa 2200 Höfe. Pro Jahr stellen über 70 Höfe den Betrieb ein.
Die Fülle an Auflagen, an Kontrollen, die Komplexität der Anträge, das gefühlte behördliche und gesellschaftliche Misstrauen gegenüber den Bauern, die Kontrollen - das drücke nicht nur auf die Stimmung, es erzeuge Stress. So viel Stress, dass einige eben nicht mehr weitermachen wollen, wie sowohl Näßl als auch der BBV unisono berichten. Näßl denkt nicht daran. Er sei Landwirt durch und durch, habe immer schon auf dem Bauernhof gearbeitet, Landwirtschaftsschulen besucht, sich weitergebildet, geackert, geschweißt, repariert, überall gewerkelt und letztlich die Früchte der Mühen geerntet. Die Relevanz der Bauern würde nach wie vor zu wenig geachtet, sagt der Nordheimer. Vor allem seitens der politischen Entscheider. Auch deshalb sei man im Winter auf die Straßen gegangen, deshalb die Traktor-Kolonnen durch den Landkreis, die Kreisverkehr-Blockaden, die Mahnfeuer.
Landwirt Näßl: Solidarität unter den Bauern war enorm
Der Protest sei aber nicht umsonst gewesen, sagt Näßl. "Bei unserem Mahnfeuer in Nordheim waren 200 Leute, davon kamen die Wenigsten aus der Landwirtschaft." Die Solidarität unter den Bauern habe ihn motiviert, davon zehre er heute noch. Auch die Unterstützung, das Verständnis seitens der Bürger sei überwältigend gewesen. Das wirke nach, ja. Und trotzdem: Der Agrardiesel wird abgeschmolzen, wenn auch "milder" als ursprünglich angedacht. Immerhin bleibt das grüne Nummernschild. Es scheint so wie bei fast jedem Kompromiss: So richtig schmecken will er keinem. Näßl hätte sich zudem mehr Präsenz der lokalen und regionalen Politiker gewünscht bei den Demos und Mahnfeuern. Er habe den Eindruck: Die Bürger waren da, ihre Repräsentanten zu wenig.
Der Kreisobmann des BBV klingt ebenfalls eher halb zufrieden. Karlheinz Götz sagt, er sei einerseits froh, dass er sich endlich wieder auf seine Felder im Ries konzentrieren könne. Er sei optimistisch, was die Erträge heuer angehe. Verhaltener äußert er sich zu dem, was man erreicht hat im politischen Rahmen. Ja, einige der Einschnitte fielen nun etwas milder aus - anderes, etwa Fragen der Bürokratie, der drückenden Auflagen, stünden noch in der Diskussion. "Es ist noch nicht ausgestanden", resümiert der Donau-Rieser BBV-Chef. Aber immerhin: Die Bundes- und Landespolitiker nähmen die Bauern endlich ernster. Ohne die massiven Proteste wäre das nicht passiert, betont er. Götz fügt hinzu, dass er sich durchaus vorstellen könnte, dass die Bauern im nächsten Jahr wieder auf die Straße gehen.
Bauern kritisieren Wettbewerbsverzerrungen
Denn in der Tat scheint einiges offen zu sein. Michael Näßl kritisiert, dass der Markt verzerrt sei. Die Produkte von ausländischen Erzeugern, die oftmals unter weniger Auflagen produzieren könnten, lägen im Supermarkt nach wie vor neben denen der schier lückenlos überwachten heimischen Bauern. Ukrainischer Weizen, für den weniger Standards gelten würden, für den halben Preis - da könne die hiesige Bauernschaft nicht mitziehen. Näßl sieht hier, wie auch auf zahlreichen weiteren Feldern der Landwirtschaftspolitik, immensen Arbeitsbedarf - ansonsten müsse der "Demo-Traktor", wie der Nordheimer den grünen Fendt Vario scherzhaft nennt, wohl wieder in Richtung Kreisverkehr fahren.
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