Familienausflug aus ganz Bayern zur Scheinimpfung nach Wemding
Erneut geht es vor dem Amtsgericht Nördlingen um gefälschte Impfausweise. Diesmal ist eine Familie angeklagt, die sich manipulierte Dokumente besorgte.
Drei reisten aus Neumarkt in der Oberpfalz an, zwei aus München. Im Jahr 2021 legten die Familienmitglieder mehr als hundert Kilometer zurück, um nach Wemding zu fahren. Doch sie machten dort nicht etwa Urlaub. Ihr Ziel war die Praxis eines Hausarztes, der vermeintliche Corona-Impfungen angeboten hatte. Er stellte den fünf Familienmitgliedern jeweils einen neuen Impfpass aus, der Impfungen gegen das Coronavirus bescheinigte, die niemals stattgefunden hatten. Doch weit sind sie damit nicht gekommen, denn der Betrug des Hausarztes flog auf – und mit ihm auch seine Patienten. Es folgten zahlreiche Strafbefehle wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz und eine ganze Reihe von Verhandlungen vor dem Amtsgericht Nördlingen. So auch dieser Fall.
Die Kunden des Impfbetrügers kommen jedoch nicht ungeschoren davon. Vielen drohen hohe Geldstrafen mit teilweise mehr als 90 Tagessätzen. Damit gelten sie als vorbestraft. Die meisten der bisher etwa 100 Angeklagten hätten sich, so Richter Gerhard Schamann, noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Das sei bei der "üblichen Klientel" am Amtsgericht anders. Wenn sich die Betroffenen geständig zeigen, ihre Motivlage darlegen und schildern, wie sich die "Behandlung" in der Hausarztpraxis zugetragen hat, ist die Staatsanwaltschaft bereit, den Angeklagten entgegenzukommen und es bei 90 Tagessätzen zu belassen. Auch die Familie aus der Oberpfalz und München verfolgte dieses Ziel. Die beiden Eltern, ihre zwei Söhne und die Freundin des jüngsten Kindes räumten die Scheinimpfung ein. Allen voran die Mutter der Familie.
Mutter gesteht, treibende Kraft gewesen zu sein
Die 54-Jährige wollte als Erste aussagen. Sie erklärte, dass alles von ihr ausgegangen sei und sie ihre Familie dazu angestiftet hätte. "Ich hatte einfach Angst", erklärte sie dem Richter. Der Hinweis auf den Wemdinger Hausarzt sei von Bekannten aus Nördlingen gekommen, woher die Mutter von zwei Kindern ursprünglich stammt. Im Sommer 2021 wurden sie und ihr jüngster Sohn, der mit seiner Freundin in München lebt und studiert, in der Praxis für die erste Scheinimpfung vorstellig. Im frühen Herbst folgte für die beiden dann der zweite Besuch der Praxis, sowie der erste Besuch des Vaters, des älteren Sohnes und der Schwiegertochter in spe.
Der Vater schilderte dem Richter, wie das Gespräch mit dem Mediziner in seinem Fall verlaufen war. Zunächst hätte der Hausarzt ihn und seinen älteren Sohn aufgeklärt, das Gespräch sei aber bereits in eine bestimmte Richtung gedriftet. Schließlich hätte dann der Arzt gefragt: "Sehe ich das richtig, dass sie nur einen Aufkleber wollen?" Die beiden bejahten das und erhielten den Nachweis in einem neuen Impfpass – freilich keine Spritze. "Haben Sie gesehen, was der Arzt mit dem Impfstoff gemacht hat?", wollte der Richter von den Angeklagten wissen. Genau konnte ihm das aber keiner beantworten, doch der Mediziner hätte den Impfstoff auf jeden Fall im Behandlungszimmer gehabt.
15.300 Euro Geldstrafe insgesamt für die Familie aus Bayern
Sie alle wollten durch die Scheinimpfung wieder mehr Anteil am gesellschaftlichen Leben haben, das müssen sie nun teuer bezahlen. Staatsanwältin Katrin Wegele gewährte ihnen zwar einen Bonus für ihre Geständnisse, forderte aber für Mutter, Vater und den ältesten Sohn 90 Tagessätze. Der jüngere Sohn, der sich zwei "Impfungen" und ein Impfzertifikat in einer Apotheke besorgt hatte, sollte 120 Tagessätze verbüßen.
Dessen Verteidiger protestierte. In der Oberpfalz wären 55 Tagessätze in einem solchen Fall üblich, sagte er und legte als "Nachweis" einen Zeitungsartikel vor. Diesem Wunsch folgte Richter Schamann in seinem Urteil nicht, zeigte sich allerdings mit ebenfalls 90 Tagessätzen vergleichsweise milde, denn er wollte dem jungen Mann Studium und Berufsleben nicht erschweren. Vorstrafen hat in der Familie keiner.
In einer eigenen Verhandlung wurde auch die Freundin des Sohnes verurteilt. Richterin Emilia Berkovic sah ebenfalls 90 Tagessätze tat- und schuldangemessen. Die angeklagte Studentin hatte sich vom Diskurs in der Familie ihres Freundes beeinflussen lassen, ist aber auch grundsätzlich eine Impfkritikerin, wie sie vor Gericht sagte. Auch sie war geständig und zeigte sich reuevoll. Die Tagessatzhöhe bewegt sich bei den einzelnen Familienangehörigen zwischen 15 und 60 Euro, die Einzelstrafen summieren sich damit auf insgesamt 15.300 Euro. Die Urteile sind rechtskräftig.
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