Auf einmal Stiefvater: "Ich bin quasi über Nacht Papa geworden"
Kevin Reichelt wurde im Alter von 22 Jahren überraschend Vater: Seine Frau Jessica brachte ihre Tochter mit in die Beziehung – und damit eine große Veränderung. Heute ist er stolzer Vater von zwei Töchtern.
Was bedeutet Familie heute? Was macht sie aus? Und was hält sie zusammen? Wir stellen diese Fragen denen, die sie am besten beantworten können. In unserer Serie "Familienalbum" erzählen Menschen aus der Region, wie sie leben, was ihre Familie besonders macht und auf welche Art sie den Alltag organisieren. Diesmal mit dem 29-jährigen Kevin Reichelt, der zusammen mit seiner Frau zwei Töchter hat. Seine Vaterschaft kam unerwartet. Heute spricht er mit anderen Männern in seinem Podcast stolz über das Vatersein.
Familie: Zu meiner Familie gehören meine Frau Jessica, 34, und unsere zwei Töchter Carlotta, 8, und Emilia, 4.Ich bin quasi über Nacht Vater geworden. Im Alter von 22 Jahren bin ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau zusammengezogen. Sie hatte damals schon ihre einjährige Tochter Carlotta. Ihr (Stief-)Vater zu werden, war damals für mich ein gewagter Schritt. Ich war eher der Typ Chaot und nicht der Typ Familienvater.
Diese Entscheidung hat in meinem Leben zu vielen Veränderungen geführt. Meiner Frau und mir war damals klar, dass wenn das mit uns funktionieren soll, muss es auch mit der Kleinen passen. Mittlerweile haben wir unsere zweite Tochter Emilia bekommen, sind seit 2017 verheiratet und leben zusammen seit knapp fünf Jahren in einer Doppelhaushälfte in Großmehring im Landkreis Eichstätt.
Als Vater habe ich gemerkt, dass nicht mehr ich, sondern meine Töchter das Wichtigste im Leben sind. Meine Familie ist auch Thema in meinen Stücken, die ich für den Poetry Slam schreibe. Im Podcast „Väter-Komplexe“ spreche ich mit Oliver Walter und Max Schule, die ebenfalls Poetry Slammer sind, über das Vatersein. Oliver ist Papa von zwei Kindern und Max hat drei Kinder. Wir tauschen uns aus zu Themen wie Schule, Kindergeburtstage und Familienausflüge.
Liebe am Arbeitsplatz: Er war Azubi, sie Personalerin
Anfänge: Kennengelernt habe ich meine Frau bei der Arbeit in Ingolstadt. Ich war Auszubildender, sie Personalerin. Als ich angefangen habe, war Jessica in Elternzeit mit der Kleinen. Zudem war sie noch verheiratet. Als ich ein Jahr als Azubi gearbeitet habe, kam sie wieder zurück. Wir saßen im gleichen Büro und haben uns auf Anhieb gut verstanden. Als wir mit ein paar Kollegen abends etwas trinken waren, hat sich schnell herausgestellt, dass wir uns gut finden. Jessica war damals zwar noch verheiratet , aber ihre Ehe war eigentlich schon vorbei.
Nach Jessicas Scheidung sind wir schließlich zusammengekommen. Viele Kolleginnen und Kollegen waren damals überrascht, aber haben es schnell akzeptiert. Einigen meiner Freunde fiel es schwer, das alles nachzuvollziehen. Nicht alle haben meine Entscheidung verstanden, dass ich am Wochenende nicht mehr feiern gehe, sondern die Vaterrolle übernehme. Es kam zu Streitereien und dem Ende einiger Freundschaften. Aber der Großteil hat es gut aufgenommen, auch wenn es eine besondere Situation war. Kurz danach sind wir auch zusammengezogen. Davor habe ich noch bei meiner Mama gewohnt.
Unerwartet mit 22 Jahren Papa: Ein neues Leben mit der Stieftochter
Ich musste meinen Tagesrhythmus als Papa natürlich anpassen. Anstatt bis halb 12 auszuschlafen, bin ich früh aufgestanden. Das hat in den ersten Wochen nicht so funktioniert, aber Jessica war nachsichtig. Zuerst wusste ich auch nicht, wie ich alles machen soll. Schnell hat es aber gut mit uns geklappt. Ihren leiblichen Vater sieht Carlotta einmal die Woche für einen Nachmittag. Ihr Verhältnis ist gut, aber natürlich anders als zwischen uns. Es war nicht schön für ihn, als Carlotta angefangen hat, mich Papa zu nennen.
Während der Schwangerschaft meiner zweiten Tochter, habe ich gemerkt, was ich bei Carlotta verpasst habe. Die Geburt war wahnsinnig aufregend für mich. Das erste Jahr war spannend und ich bin sehr vorsichtig mit ihr umgegangen.
Alltag: Unser Familienleben strukturiert meine Frau. Sie führt penibel einen Terminplaner. So ist klar, wer welche Aufgaben übernimmt. Jessica arbeitet halbtags als Personalsachbearbeiterin, ich 40 Stunden in der Woche als Texter in einer Agentur. Morgens steht meine Frau um 5.45 Uhr auf, ich schaffe es erst meist gegen 6.10 Uhr aus dem Bett. Zusammen bereiten wir die Brotzeit zu. Nachdem sie zur Arbeit losgeht, ziehe ich die Kinder an, bringe die Kleine in den Kindergarten. Unsere Große fährt meist selbst zur Schule. Mittags holt meine Frau dann die Kinder wieder ab. Wenn ich nach Hause komme, stehen meine Töchter meist schon an der Türe. Manchmal sind sie böse, wenn ich später komme.
Am Abendbrottisch geht es bei Familie Reichelt drunter und drüber
Nach dem Heimkommen essen wir jeden Abend zusammen. Jeder erzählt von seinem Tag, alle reden durcheinander, es geht meist drunter und drüber. Danach geht es für die Kinder in die Badewanne oder unter die Dusche. Mit dem Ins-Bettgehen zieht es sich meist dann noch etwas. Anschließend putzen meine Frau und ich die Küche und sind froh, wenn wir uns von unserem Tag erzählen können – meist kommen wir beim Abendbrot nämlich kaum zu Wort. Abends genießen wir gerne die Zeit zu zweit, reden, schauen einen Film. Wir haben als Familie viel Spaß zusammen und pflegen ein lockeres Verhältnis zu unseren Kindern, aber schimpfen auch mal.
Streitthema: Die Mediennutzung unserer Töchter ist in unserer Familie ein Streitthema. Meine Frau und ich sind uns einig, dass die Kinder Fernsehen schauen dürfen und das Tablet nutzen können. Gerade wenn man etwas im Haushalt macht oder was anderes zu tun hat, ist man froh, wenn die Kinder für eine halbe Stunde beschäftigt sind. Aber wir streiten uns ab und zu mit ihnen, weil sie doch noch gerne eine Folge anschauen möchten.
Glücksmoment: Für mich persönlich ist der Glücksmoment, wenn ich nach Hause komme und meine Kinder schon an der Tür warten. Dann weiß ich, dass ich Zuhause bin. Es ist auch schön, wenn ich die Kleine vom Kindergarten oder die Große von der Schule abhole und ich sehe, wie sie sich freut. Unsere Zeit zusammen ist einfach besonders.
Was ist Ihre Geschichte? Wollen Sie auch von Ihrer Familie erzählen und verraten, was Sie und Ihre Lieben besonders macht? Dann melden Sie sich – gern mit einer Telefonnummer – unter der Mail-Adresse familienalbum@augsburger-allgemeine.de. In der Serie "Familienalbum" erzählen wir die Geschichten von großen und kleinen Familien, von Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Mehrgenerationenfamilien, kurz: von jedem, der sich als Familie fühlt. Alle Artikel aus der Reihe finden Sie gebündelt auf einer Sonderseite.
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