Das gilt ab Oktober beim Mindestlohn
Am 1. Oktober tritt die lange umstrittene Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro in Kraft. Wer davon profitiert – und für wen die Lohnuntergrenze nicht gilt.
Rund 15 Prozent mehr Lohn – das bringt die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, die ab diesem Samstag gilt. Damit erfüllt die SPD eines ihrer zentralen Wahlversprechen. Doch der Anstieg der Lebenshaltungskosten und die explodierenden Energiepreise, die sich in einer Inflationsrate von mittlerweile rund zehn Prozent niederschlagen, drohen den Mehrverdienst bei vielen Betroffenen aufzufressen. Was nun gilt, wer mehr Geld bekommt und wie es weitergeht:
Wer bekommt den Mindestlohn?
Der gesetzliche Mindestlohn ist die verbindliche Lohnuntergrenze in Deutschland, die – mit wenigen Ausnahmen – für alle abhängig Beschäftigten gilt. Ab dem 1. Oktober darf kein Arbeitgeber weniger bezahlen als zwölf Euro die Stunde. Die Regel gilt auch für Minijobs, ausländische Beschäftigte in Deutschland dürfen ebenfalls nicht weniger Lohn bekommen. Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es für einige Branchen noch eigene, in der Regel höhere Branchenmindestlöhne. Sie werden von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt und in einem Tarifvertrag festgelegt. Danach werden sie vom Gesetzgeber als allgemeinverbindlich erklärt und gelten für alle Unternehmen der jeweiligen Branche, selbst wenn diese nicht tarifgebunden sind.
Wer legt den gesetzlichen Mindestlohn fest?
Der Mindestlohn wurde von der Großen Koalition 2015 per Gesetz eingeführt und betrug zunächst 8,50 Euro. Danach stieg er in mehreren Schritten bis zum 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro an. Am 1. Juli dieses Jahres wurde er auf 10,45 Euro erhöht, zum 1. Oktober folgt jetzt der Sprung auf 12 Euro pro Stunde. Festgelegt wird er von der extra zu diesem Zweck eingerichteten Mindestlohnkommission. Sie besteht aus einer oder einem Vorsitzenden, sechs stimmberechtigten ständigen Mitgliedern aus dem Kreis der Sozialpartner und zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft ohne Stimmrecht. Für die Anhebung auf 12 Euro wurde die Kommission allerdings durch eine einmalige Änderung des Mindestlohngesetzes ausgehebelt. In Zukunft soll sie aber wieder für die Anpassung zuständig sein.
Wer profitiert von der Anhebung?
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht von 6,6 Millionen Menschen, die von der Mindestlohnerhöhung profitieren. Laut einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sind darunter Frauen mit 3,5 Millionen und Ostdeutsche mit 1,1 Millionen besonders stark vertreten. In Schwaben haben laut der DGB-Regionsgeschäftsführerin Silke Klos-Pöllinger fast 15 Prozent aller Beschäftigten Anspruch auf den Mindestlohn, in Summe sind das etwa 126.000 Beschäftigte. Niedriglöhne werden besonders oft bei Minijobs gezahlt. Aber auch für Beschäftigte in Ausbildungsberufen wie Friseur:in, Koch bzw. Köchin und im Einzelhandel bringt die Anhebung des Mindestlohns wohl eine spürbare Verbesserung. Ebenfalls weit verbreitet sind Mindestlöhne im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Logistikbranche und der Landwirtschaft. Gewerkschaftsvertreter mahnen aber, dass nun auch die Kontrollen verstärkt werden müssen. "Leider gibt es oft Verstöße bei der Erfassung der Arbeitszeit oder Arbeitgeber stellen den Beschäftigten unverhältnismäßig hohe Kosten und Gebühren in Rechnung, etwa für Unterbringung und Verpflegung", erklärt DGB-Sprecherin Klos-Pöllinger.
Gibt es Ausnahmen?
Ja, der Mindestlohn gilt weiterhin nicht für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung und Auszubildende – unabhängig von ihrem Alter. Zumindest für Letztere gelten aber Regeln für eine Mindestausbildungsvergütung. Ebenfalls nicht den Mindestlohn erhalten Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nach Beendigung der Arbeitslosigkeit, Praktikanten und Jugendliche, die an einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu einer Berufsausbildung teilnehmen. Personen in Resozialisierungs- und Inklusionsmaßnahmen müssen weiterhin nicht mit dem Mindestlohn entlohnt werden. Auch ehrenamtlich Tätige haben keinen Anspruch.
Gehen durch den höheren Mindestlohn Arbeitsplätze verloren?
"Wir rechnen nicht ansatzweise mit einer negativen Beschäftigungswirkung", sagt der schwäbische Verdi-Gewerkschaftssekretär Robin Faber. Tatsächlich haben Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim jüngst widerlegt, was vielfach von Wirtschaftsvertretern als Argument gegen einen gesetzlichen Mindestlohn angeführt wurde und wird: Ihre Untersuchung zeigte, dass die Mindestlohn-Einführung 2015 sowie die erste Erhöhung im Januar 2017 kaum Marktaustritte von Unternehmen verursacht hat. Manche Branchen seien durch die Lohnuntergrenze teils sogar produktiver geworden. Die Gewerkschaften gehen im Gegenteil davon aus, dass die Mindestlohnerhöhung den Konsum stützt und so die Wirtschaft stärkt. Tim Lubecki, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Schwaben, sagt: "Wer kein Geld in der Tasche hat, kann auch nicht zum Essen ins Restaurant gehen."
Gibt es Kritik an der Erhöhung?
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisiert die Anhebung per Gesetz: "Ein wiederkehrendes staatliches Lohndiktat ist das Gegenteil von freiheitlicher Tarifgestaltung. Durch den gesetzlichen Mindestlohn jetzt teils ganze Lohngitter neu verhandeln zu müssen, ist in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage eine weitere schwere Hypothek", wird er in einer Mitteilung des BDA zitiert. Für die Gewerkschaften ist der Mindestlohn nur ein Schritt zur besseren Absicherung der Beschäftigten. Schwaben sei ein "tarifpolitisches Brachland", sagt Torsten Falke, der Leiter des Bezirks Augsburg bei der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE). Nur noch etwa die Hälfte aller Beschäftigten profitierten von einem Tarifvertrag. Bundesweit sind es nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts rund 44 Prozent, wobei die Werte im Osten Deutschlands erheblich niedriger sind. Die Anhebung des Mindestlohns könnte aber auch Auswirkungen auf Beschäftigte haben, die bereits jetzt etwas mehr verdienen: Um ihre Arbeitskräfte halten zu können, dürften viele Arbeitgeber ihre Löhne erhöhen, um auch weiterhin einen Abstand zwischen Mindestlohn und Tariflohn ausweisen zu können.
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