Vom Boot geholt
Katharina Steiner und Armin Ringeis aus Offingen haben kurzerhand ihren Urlaub umgeplant: Anstatt die Sonne zu genießen haben sie Flüchtlingen auf der Insel Lesbos geholfen.
Katharina Steiner und Armin Ringeis sitzen am Esstisch in ihrem Holzhaus in Offingen. Die Sonne strahlt durch die Fenster. Auf dem Tisch steht ein Laptop: Er zeigt Bilder von ihrer vergangenen Reise auf die griechische Insel Lesbos. Doch statt Urlaubsbildern sind auf den Fotos Flüchtlinge zu sehen, überfüllte Boote, die gerade ankommen und tausende Schwimmwesten, die entlang des Strandes liegen. Das Ehepaar hat geholfen, statt seine freien Tage zu genießen. Geplant war das eigentlich nicht.
Aus dem Urlaub wurde eine Hilfsaktion
Armin Ringeis erzählt: „Wir waren dort schon ein paar Mal im Urlaub. Im Laufe diesen Jahres hat sich die Flüchtlingskrise dann immer mehr zugespitzt. Wir hatten erst überlegt, ob wir einfach Urlaub machen oder stornieren sollen.“ Doch besonders die Griechen seien vom Tourismus abhängig, sagt der ehemalige Krankenpfleger, der jetzt als Heilpraktiker seine eigene Praxis betreibt. Also fiel folgende Entscheidung: „Wir schauen, dass wir vor Ort irgendetwas tun können.“
Über das Internet hat sich das Ehepaar an die Hilfsorganisation Boderline Europe gewandt. Einen Tag vor der Abreise nach Griechenlang kam schließlich der Bescheid: „Sie haben gesagt, wir sollen kommen und Verbandssachen mitbringen“, erzählt Katharina Steiner. Deswegen haben sie extra einen Koffer weniger mitgenommen und den zweiten stattdessen mit Verbänden und Kuscheltieren gefüllt. Und dann ging es los.
"Das war heftig"
Kaum auf der Insel angekommen, sahen Steiner und Ringeis schon die ersten Flüchtlinge, darunter auch Schwangere und behinderte Kinder. Nur die wenigsten hätten gute Schuhe getragen, einige Kinder lediglich Ballerinas ohne Profil. „Das war heftig“, erinnert sich der Heilpraktiker. Sie hätten die Menschen am liebsten mit dem Mietwagen mitgenommen, doch es waren zu viele und zudem sei das illegal.
Am Ort Petra angekommen, begannen die beiden sofort mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Sie gehörten zum Projekt Proti Stassi. „Auf griechisch bedeutet das erste Station“, erklärt Steiner. Am Strand zwischen Mithimna und Skala Sikamineas kämen die meisten Flüchtlinge, die von der Türkei übers Mittelmeer fahren, an. Die Aufgabe der Helfer war es, diese zu versorgen. Die beiden Offinger liefen täglich den Strand entlang, halfen den Menschen von den Booten und verteilten Getränke. Außerdem sammelten sie nasse Kleider ein, die die Flüchtlinge ausgezogen hatten, und gaben sie frisch gewaschen und getrocknet wieder aus.
Viele hatten wunde Füße
Armin Ringeis verband einige Menschen. Viele hatten wunde Füße und wollten trotzdem immer weiter, so schnell wie möglich nach Deutschland, erzählen Steiner und Ringeis. Beide haben sich schon zuvor lange Zeit sozial eingesetzt. Der 55-Jährige hat vor 30 Jahren Deutschkurse für Flüchtlinge aus dem Libanon gegeben und seine Frau engagierte sich für Menschen aus Rumänien. Vor Ort zu sein sei noch mal eine ganze andere Erfahrung, sagt sie.
Allerdings gab es auch Probleme: „Das ist nicht nur eine Flüchtlings-, sondern auch eine Umweltkatastrophe“, erklärt die 50-Jährige, die als Heilpraktikerin und im öffentlichen Dienst im Umweltschutz arbeitet. Die Flüchtlinge kämen an und würden erst einmal die Schwimmwesten und Boote an Ort und Stelle liegen lassen. Der Strand sieht auf ihren Fotos dementsprechend aus. Mit dem einstigen Urlaubsparadies hat das nicht mehr viel gemein. Zudem sei der Müll eine Riesenbelastung für die Griechen.
60 Kilometer zu Fuß quer über die Insel
Pro Tag seien in den zwei Wochen Aufenthalt zwischen 15 bis 20 Boote voller Flüchtlinge angekommen. An Tagen, an denen sie See unruhig war, zwischen fünf und sechs. Jedes Boot brachte etwa 40 Menschen nach Lesbos. „Die Griechen können keine Grenzen zu machen. Die Flüchtlinge kommen ja übers Meer“, erklärt Ringeis. Eine Aufnahmestelle gibt es nur in der Hauptstadt der Insel, Mytilini. Selbst die sei überfüllt und von Zelten umgeben, erzählt Steiner und zeigt ein Bild davon. Bis hierhin müssen die Menschen, die größtenteils aus Syrien und Afghanistan stammen, knapp 60 Kilometer laufen. Das Projekt Proti Stassi ist nun dabei, ein Auffanglager in einer ehemaligen Käserei in Klio zu errichten. Gebäude wie es sie in Deutschland gibt, seien auf Lesbos Mangelware.
Wer kümmert sich um die Frauen, die zurück bleiben?
Meist reisen männliche Flüchtlinge nach Lesbos, nur wenige Familien. Darin sieht die 50-jährige Helferin ein großes Problem. Was passiert mit den zurückgebliebenen Frauen und Mädchen? „Als Frau hast du null Rechte in Afghanistan. Ein Zweijähriger ist dort mehr wert als eine Frau“, sagt sie. Deshalb engagiert sie sich bei Nazo, einem Verein, der sich für Frauen aus Afghanistan einsetzt.
Das Besondere: Der Verein bildet die Frauen aus. Das stärkt das Selbstwertgefühl und die Frauen verdienen etwas. Deswegen hätten sie manchmal sogar die Erlaubnis der Männer, wenn diese nicht mehr arbeitsfähig sind, sagt Steiner. Sie fertigen Ledertaschen und Kleidung oder kreiren Schmuck, den sie verkaufen. Sie fühle sich als Deutsche privilegiert und möchte deshalb diesen Frauen helfen. Sie habe tiefes Mitgefühl mit Frauen und Kindern, denen eine Flucht aus dem Elend – welches ja nicht nur aus Krieg besteht, sondern auch aus Vergewaltigung, Folter, Missbrauch – nicht ermöglicht wurde.
Nazo Deutschland betreibt einen Onlineshop mit Kleidung, Taschen und Schmuck aus Afghanistan. Katharina Steiner gibt Vorträge über Nazo und das Leben der Frauen in Afghanistan und bietet im Rahmen der Vorträge auch Waren des Vereins an. Mehr Informationen unter www.nazo-support.org
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