"Patienten fallen aus allen Wolken"
Illertissen/Günzburg Seit Anfang des Jahres müssen die meisten bayerische Krankenkassen-Patienten wieder jedes Quartal ihre Praxisgebühr von zehn Euro berappen. Das ist die Folge der Auseinandersetzung zwischen den Kassen und dem bayerischen Hausärzteverband im Dezember vergangenen Jahres. Nach dem angekündigten aber gescheiterten Massenaustritt aus dem Hausärztevertrag hatte die AOK ihrerseits fristlos gekündigt. Ergebnis: "Viele Patienten fallen aus allen Wolken", wenn sie in ihre Hausarztpraxis kommen, so eine Illertisser Medizinerin, die nicht namentlich genannt werden wollte.
Denn die Versicherten erfahren, dass sie zwar behandelt werden, aber nun wieder Praxisgebühren zahlen müssen. Und zwar jedes Quartal, in dem sie zum Arzt gehen. Informationen über die Konsequenzen aus der Kündigung der Hausarztverträge sind erst ab 17. Januar bayernweit an die circa 2,7 Millionen Versicherten der AOK in einem Schreiben verschickt worden, wie Thomas Mehnert von der Günzburger Direktion, die auch für den Bereich Illertissen zuständig ist, gestern auf Anfrage bestätigte. Im Direktionsbereich sind knapp 90 Versicherte mit dem Hausarzttarif von der Vertragskündigung betroffen.
Befreiungsausweis verlor Gültigkeit
In dem Schreiben - das unserer Redaktion vorliegt - erläutert die AOK, was zu der für die Patienten neuen Lage geführt hat. Darin bekräftigt die Kasse noch einmal ihre Auffassung gegenüber dem Bayerischen Hausärzteverband: "Dieses Vorgehen war ein klarer Rechtsbruch". Daher sei die AOK gezwungen gewesen, den Hausarztvertrag "gänzlich" zu kündigen und zum Jahresende 2010 zu beenden. Damit ende für den betroffenen Versicherten auch die Teilnahme am AOK-Hausarzttarif. So verliere der Befreiungsausweis von der Praxisgebühr seine Gültigkeit. Bisher war die Gebühr nur einmal fällig, wenn der Patient immer zunächst den Hausarzt besucht hatte - die sogenannte Lotsenfunktion, bevor dieser die Überweisung zum Facharzt veranlasst hatte.
Die AOK hatte ihrerseits, so Direktionssprecher Mehnert, diese veränderte Sachlage "offen kommuniziert". Das heißt, zunächst im hauseigenen Sonderheft "Bleib gesund" und zusätzlich auch im Internet. Allerdings konnten so nicht alle Patienten erreicht werden: "Es ist nachvollziehbar, wenn das bei dem einen oder anderen für Unmut gesorgt hat", räumt Mehnert ein.
Die AOK hält die Hausarztverträge nach wie vor für einen zukunftsfähigen - beziehungsweise richtigen Weg. Die "hausarztzentrierte Versorgung" sei ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung der flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten.
Wichtiger Punkt, so AOK-Sprecher Mehnert, sei der Abbau der Bürokratie mit neuen Verträgen, damit für den Patienten mehr Zeit bleibe. Aber wann es dazu kommt, ist noch völlig offen. Zunächst möchte die AOK bis heutigen Freitag mit einer Umfrage unter ihren Versicherten und den Hausärzten wissen, welche Eckpunkte im neuen Hausarztvertrag besonders wichtig sind.
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