Buchhandel: Die Spezialität als Rettungsanker
Der Verdrängungswettbewerb im Buchhandel ist hart, doch die Not macht kleinere Läden erfinderisch.
So, wie der gesamte Einzelhandel rund um Weihnachten und Jahreswechsel wie ein Kaninchen auf die Schlange und den „Gott“ Umsatz starrt, so starrt die Kulturwelt regelmäßig auf die Überlebenschancen der inhabergeführten kleineren und kleinen Buchhandlungen. Dort geht es auch um Umsatz, aber gleichzeitig zudem um Kulturindikatoren wie Lesebereitschaft, Leseberatung, Vertriebstradition, Ladenvielfalt in Innenstädten.
Fragt man etwa Jörg Dossmann, Mitinhaber der Buchhandlung „Rieger & Kranzfelder“ in Augsburg, nach seiner Hauptkonkurrenz, so fällt als Antwort erst einmal nicht der Name „Amazon“ oder der Name großer Buchhandelsketten, sondern die Diagnosen „mangelnde Bereitschaft zu lesen“ sowie „E-Reader“, also jenes Speicher- und Bildschirmgerät für digitale Bücher. Aber, so befindet Dossmann, „haben wir das durchwachsene Jahr 2012 noch ganz gut hingekriegt“ – und dies trotz der erschwerten Bedingungen durch den Augsburger Innenstadtumbau.
Ein Laden für die Frau, ein Laden für die Religion
Anderswo reicht es schon lang nicht mehr zum „Hinkriegen“. Auch Tübingen ist wie Augsburg eine Universitätsstadt, allerdings nur mit etwa einem Drittel der Einwohnerzahl (270 000/90 000). Dort hat vor Jahren schon die Buchhandlung Beneke aufgeben müssen – in Folge der Eröffnung einer Filiale der Kette Osiander. Seit 1913 hatte es Beneke gegeben, 2000 eröffnete Osiander in nächster Nähe eine Filiale, und „von da an ging der Umsatz kontinuierlich zurück“, sagt der Geschäftsführer Erich Schönleben, der heute ein Nischengeschäft mit Bibliotheken, Firmen und Kanzleien betreibt.
Die Nische, die Spezialität, das außergewöhnliche Konzept, gar das Alleinstellungsmerkmal: Sie alle sind ein Rettungsanker für manch kleine Buchhandlung. In Tübingen gibt es solche nur für Frauen, solche für religiöse oder spirituelle Themen, solche für Wissenschaft, solche mit eigenem Café. In Augsburg wiederum sieht Jörg Dossmann die Besonderheit von „Rieger & Kranzfelder“ im Ambiente (Fuggerhäuser/Maximilianstraße), in der intensiven Beratung, im sorgsam gewählten Sortiment. Das fördere und locke die Stammkundschaft, die auch über den neuen Internet-Auftritt der Buchhandlung bestelle. Den Internet-Auftritt auch kleiner Buchhändler hält Johannes Scherer, Geschäftsführer des Buchhandelsverbands Baden-Württemberg, für unabdingbar – neben Öffnungszeiten über 18 Uhr hinaus. „Sonst gehen die Kunden zu Amazon.“
Literatur-Angebot kleinerer Verlage
Zu Amazon gehen die Kunden aber auch, wenn die Attraktivität der Innenstädte durch ein grundsätzlich standardisiertes Angebot großer Ketten einbüßt. Dieser Auffassung ist Meinolf Krüger vom Taschenbuchladen Krüger in der Augsburger Innenstadt. Denn wenn es überall dasselbe zu kaufen gebe, dann brauche der Kunde tatsächlich nicht mehr in die Innenstadt zu gehen, sondern könne seine Einkäufe per Mausklick tätigen. Er sieht die Besonderheit seines Ladens nicht nur im Taschenbuch-Angebot (dessen Marktanteil zurückgehe), sondern zunehmend im Literatur-Angebot kleinerer Verlage, die keine Vertriebswege mehr über Buchhandelsketten haben, die sich nur noch auf die Bestseller stürzen.
Auch Meinolf Krüger ist in Relation gesetzt zur Baustelle Augsburg „letztendlich relativ zufrieden“ mit 2012. Und: Er sieht seit Herbst eine neue Käufertendenz. Es gebe Kunden, die sich – angesichts der Arbeitsbedingungen bei Amazon, angesichts der Steuertricks weltweit agierender Firmen – ganz bewusst für den kleinen Buchhändler entscheiden würden.
Kulturelle Veranstaltungen als Sonderangebot
Gleichwohl macht Amazon den Händlern in den Innenstädten das Überleben schwer: Mit ein paar Klicks sind Buchinteressenten beim ihnen passenden Buch, am nächsten Tag wird es nach Haus geliefert. Auch die Ketten der Branche mussten zuletzt Filialen schließen, etwa Thalia in Essen, Bouvier in Bonn, Hugendubel in Berlin. Und selbst Osiander in Tübingen weiß davon ein Lied zu singen. Der Geschäftsführer und Mitinhaber Hermann-Arndt Riethmüller erklärt Amazon zum größten Konkurrenten für den lokalen Buchhandel insgesamt. Dass Osiander trotzdem expandiere, erläutert er so: „Unsere Standorte sind dort, wo die Menschen sich bewegen, nämlich in den Fußgängerzonen. Man kann bei uns gemütlich sitzen, und wir bieten viele kulturelle Veranstaltungen in unseren Geschäften an.“ Das könnten Internet-Händler nicht bieten. mit dpa
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