"Blutkünstler" Hermann Nitsch stattet die "Walküre" aus
Immer wieder angefeindet, ausgewiesen und mit Verboten belegt, arbeitet der österreichische Aktionskünstler Hermann Nitsch unbeirrt weiter. Derzeit in Bayreuth.
Schwer läuft er am Stock und sehr, sehr langsam. Aber Hermann Nitsch, der österreichische Aktionskünstler arbeitet weiter und verspricht für das kommende Jahr eine neue große Ausgabe seiner bis heute umstrittenen Orgien- und Mysterien-Spiele. Aufgeführt werden soll im Schloss Prinzendorf, 30 Kilometer vor Wien, noch einmal Nitschs in mehrerlei Hinsicht überschäumendes Sechs-Tage-Spiel.
Und wieder werden wohl Tierschützer wie Christen wie Moralisten anschreiben gegen dieses besondere Weltentheater des Wiener Malers, der in seinem eigenen religiösen Verständnis, aber verbunden mit Symbolen der katholischen Kirche, ein weinseliges Prozessions-Ritual feiert, bei dem musiziert und gefeiert, aber durchaus auch in Tierblut und frisch geschlachtetem Gedärm gebadet wird. Für viele ein Skandal. Programmatisch liest sich das so: „Das Dramatische wühlt sich in die Freude an der Grausamkeit. Das Chaos, ein orgiastischer Rausch, bricht über uns herein. Die Intensität des Erlebens lässt eine Mystik der Aggression und Grausamkeit entstehen.“
Am 29. Juli feiert die diesjährige "Walküre" Premiere
Man könnte anschaulicher noch fort fahren. Schmerz und Lust und Sinnenfreude stehen im Zentrum der Orgien- und Mysterienspiele. Möglich, dass 2022 wieder eine Strafanzeige gestellt wird – und Rechtsanwälte an der Seite Nitschs dagegenhalten. Angefeindet, ausgewiesen, mit Verboten belegt und verurteilt wurde der Künstler ob seiner Aktionen immer wieder, eine Zeit lang lebte er deswegen – lange ist’s her – auch in Deutschland.
Aber jetzt ist 2021, und jetzt stattet Nitsch erst mal als Aktionskünstler eine „Walküre“ für die Bayreuther Festspiele aus. Wenn es so läuft wie 2011 an der Staatsoper München bei der Oper „Saint François d’Assise“ von Olivier Messiaen, dann dürfte Donnerstagabend in Bayreuth auch die Entstehung solcher Werke zu betrachten sein, wie sie nach Beginn von Nitschs Karriere in den 1960er-Jahren berühmt wurden: sogenannte Schüttbilder, bei denen Farbe am oberen Rand der Leinwand vorsichtig aufgegossen wird und dann in Rinnsalen den Bildträger hinunter läuft. Oft in blutrot. Dass dies lange – wie so manches in der Kunst – als Scharlatanerie abgetan wurde, versteht sich. Mittlerweile befinden sich Schüttbilder in großen öffentlichen Sammlungen Europas.
1972 und 1982 nahm Hermann Nitsch an der Documenta teil
1938 in Wien geboren, studierte Nitsch an der dortigen Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, worauf er zunächst als Graphiker im Technischen Museum arbeitete. Ab 1961 gehörte er zum Kreis der Wiener Aktionisten, vor allem durch Malaktionen in den Fußstapfen der tachistischen und der informellen Kunst, etwa eines Jackson Pollock. 1972 und 1982 war Nitsch Documenta-Teilnehmer in Kassel. Da hatte seine (zweite) Frau bereits das Schloss Prinzendorf im Weinviertel für seine Orgien- und Mysterienspiele erworben. Dort findet sie seitdem statt, Nitschs Sakralisierung der Kunst, wie sie auch für Bayreuth nun erwartet wird.
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