Die Clooneys und die Raubkunst
Griechenland fordert seit Jahrzehnten von London die Rückgabe etlicher Kunstwerke der Akropolis. Erfolglos. Nun soll die Star-Juristin Amal Clooney die Sache richten.
Anfang dieses Jahres brachte George Clooney seinen Film „Monuments Men“ heraus, in dem er einen Kunsthistoriker spielt, der sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs für die Suche und Rettung der von den Nazis geraubten Kunst einsetzt.
George Clooney legt sich mit Londoner Bürgermeister an
Und im Zuge der Vorstellung dieses Films auch in London legte sich Clooney mit dem dortigen Bürgermeister Boris Johnson an, weil er der Meinung ist, dass jene Kunstwerke aus dem Britischen Museum an Athen zurückzugeben seien, die 1801 unter anderem vom Parthenon-Tempel auf der Akropolis von dem damaligen britischen Botschafter Lord Elgin entfernt und nach England transportiert wurden („Elgin Marbles“). Der Bürgermeister schoss scharf zurück.
Zu diesem Zeitpunkt kannte und liebte George Clooney bereits Amal Alamuddin, diese in Beirut geborene Londoner Anwältin insbesondere für Menschen- und Internationales Recht, tätig u. a. für Julian Assange und Julia Timoschenko. Clooney und Amal Alamuddin sind mittlerweile verheiratet.
Nun gut, mag der Leser sagen, aber was geht mich das alles an?
Es sind drei wichtige Facetten, die einen seit vielen Jahrzehnten schwelenden Kunstraub-Krimi wieder auflodern lassen, der noch dazu seit der vergangenen Woche eine brandneue Wendung erhielt.
Denn in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass das Britische Museum in einer streng geheim gehaltenen Nacht-und-Nebel-Aktion eine Skulptur vom Parthenon-Tempel zur 250-Jahr-Feier der Eremitage nach St. Petersburg ausgeliehen hat. Es handelt sich dabei um den (kopflosen) Flussgott Ilissos aus Marmor – die allererste Leihgabe überhaupt aus dem Londoner Bestand der Lord-„Elgin-Marbles“, seit sie an der Themse angekommen sind.
Ausleihe als kulturelle Großtat beschworen
Die Ausleihe wird in London beschworen als entgegenkommende kulturelle Großtat in politisch brisanten Zeiten, als „Feier des Aufklärungsideals“, ja als Denkanstoß für Betrachter aus ehemaligen Sowjetunion-Teilen mit ihrem heute weit rigoroserem Politsystem im Vergleich zu Russland. Denn am Fluss Ilissos hätten in der Antike Sokrates und Phaidon tolerant-intellektuell diskutiert über das, was den Menschen ausmacht.
So die pädagogische britische Sicht der Dinge; so die London-Petersburg-Achse. Aber es gibt bei den Lord-„Elgin-Marbles“ eben auch noch jene Achse zwischen London und Athen, die seit langem aufgeladen ist und für Spannungen sorgt. Doch zunächst mal: Was sind die „Elgin Marbles“ genau – und wie berechtigt oder unberechtigt wurden sie 1801 abtransportiert von der Akropolis?
Die „Elgin Marbles“ sind Fragmente und Skulpturen unter anderem aus dem Erechtheion und – wie etwa Ilissos – vom Partheneon, jenes Athener Heiligtums für die Stadtgöttin Pallas Athene, das über 2500 Jahre hinweg als Tempel, als Kirche, als Moschee, als Museum genutzt wurde. Lord Elgin war seinerzeit nicht blöd – und ließ sich eine Erlaubnis von Sultan Selim III. ausstellen, wonach er auf der Akropolis ungehindert zeichnen, messen, graben, Abdrücke fertigen kann – und, so gewollt, auch Steinblöcke mit Figuren mitnehmen darf.
Auch Stimmen in England fordern Rückgabe
Letzteres tat Lord Elgin, was damals schon in Athen als Kulturgut-Raub betrachtet worden war – und bis heute für Konfliktstoff sorgt. Denn wenn auch Elgin eine Art von Erlaubnis vorweisen konnte, so war diese doch ausgestellt von einem Besatzer Griechenlands, das seinerzeit zum Osmanischen Reich gehörte. Und im Gegensatz zur Debatte um die ägyptischen Rückforderungen, was die Nofretete in Berlin anbelangt, haben sich in den vergangenen Jahren einflussreiche Stimmen selbst in England gemehrt, die eine Rückgabe der „Elgin Marbles“ an Griechenland befürworten, ja fordern. Die Zeit arbeitete für diese Befürworter auch insofern, als es mittlerweile internationale Unesco-Abkommen gibt, wonach nationale Kulturschätze eines okkupierten Landes nicht veräußert werden dürfen. Freilich: Haben sie auch rückwirkend Kraft?
Bislang hat der Gegenwind das Britische Museum nicht weiter angefochten – und ebenso wenig die Fertigstellung des Akropolis Museums (2009), wo mittlerweile die „Elgin Marbles“ sachgerecht gelagert werden könnten und wo überdies ein Platz für sie freigehalten ist. Das Britische Museum hatte immer argumentiert, dass die konservatorischen Umstände in Athen ungenügend seien für die Antiken.
Jetzt, durch die Ilissos-Ausleihe nach Petersburg, fühlen sich die Griechen doppelt düpiert. „Es ist eine Provokation für das griechische Volk“, erklärte am vergangenen Freitag der griechische Regierungschef Antonis Samaras.
Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis zum Ehepaar Clooney: Mrs. Amal Clooney berät die griechische Regierung seit längerem bei deren Forderung auf Rückgabe der „Elgin Marbles“. Ihre Londoner Kanzlei hält es für gut möglich, dass ein Prozess heute erfolgreich wäre. Ob also Amal Clooney, die Mitte Oktober die Akropolis besuchte und dabei wie ein Hollywood-Filmstar umringt war, juristisch bewerkstelligen kann, was seit Jahrzehnten ins Leere läuft? Als Anwältin des Internationalen Rechts dürfte sie jedenfalls mehr in der Hinterhand halten als die politische britische Schauspielerin Vanessa Redgrave, die in selber Sache auch schon einmal als Galionsfigur tätig war.
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