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Nachhaltigkeit
28.09.2019

Von wegen Abwasser: Warum Urin ein Rohstoff ist

Urin enthält neben Stickstoff und Kalium auch Phosphor – und ohne dieses Element gäbe es kein Leben auf der Erde.
Foto: Matthias Zimmermann

Bei jedem Toilettengang verschwenden wir wertvolle Ressourcen. Denn Urin ist kein Abfall, wie ein ungewöhnlicher Versuch zeigt.

Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstoß. Jemanden, der einem zeigt, dass man die Dinge auch ganz anders sehen kann; dass einfache Änderungen im Alltag einen großen Unterschied machen können. Wenn man auf die Toilette geht zum Beispiel. Urin ist gelb, riecht nicht gut und soll bitte einfach problemlos verschwinden, wenn wir auf der Toilette die Spültaste drücken. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ein Irrsinn, sagt Michel Riechmann.

Mit Struwwelfrisur und entspanntem Mehrtagebart könnte der groß gewachsene 31-Jährige auch als Surfer durchgehen. Riechmanns Kontakt mit dem Wasser ist aber eher technischer Natur. Als Umweltingenieur beschäftigt er sich am Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag unter anderem mit der Frage, was mit dem Wasser passiert, das, nachdem wir die Spültaste gedrückt haben, ja irgendwo hinfließen muss. Wenn es nach Riechmann geht, fängt mit dem Spülen der Irrsinn schon an. Nicht zu spülen ist eklig? Abwarten.

In Weimar stand in diesem Sommer die „P-Bank“ auf dem Universitätsgelände: Ein quietschgelber Container. Darin: zwei Toiletten und ein Waschbecken – auf den ersten Blick.
Foto: Matthias Zimmermann

Riechmann ist heute zu Besuch in Weimar. Bei Jörg Londong an der Bauhaus-Universität hat er studiert. Und mit Londong teilt er die Überzeugung, dass wir dringend anders auf das System blicken sollten, mit dem wir unser Abwasser entsorgen. Nur ist es gar nicht so leicht, Menschen dazu zu bringen, sich Gedanken über etwas zu machen, was problemlos funktioniert – und nicht besonders spannend klingt. Riechmann hat deswegen mit Londongs Team in diesem Sommer einen quietschgelben Container auf das Universitätsgelände gestellt. Darin: zwei Toiletten und ein Waschbecken – auf den ersten Blick. Was außer der Farbe noch irritiert, ist die Aufschrift auf den Türen: „Spendezimmer“. „P-Bank“ heißt die Installation, ausgesprochen wird es Englisch, aus dem „P“ wird so „Pee“, das englische Wort für Pipi. P ist aber auch das Symbol für das chemische Element Phosphor. Und um diese Verbindung geht es.

„Urin ist kein Abfall, sondern Rohstoff“, sagt Londong. Denn Urin enthält neben Stickstoff und Kalium auch Phosphor – und ohne dieses Element gäbe es kein Leben auf der Erde. Jede Zelle in jedem Lebewesen braucht ihn. Für Pflanzen ist Phosphor der wichtigste Dünger. Obwohl er quasi überall in unserer Umwelt vorkommt, muss er für seine industrielle Verwendung im Tagebau aus der Erde geholt werden. Denn wir brauchen viel Phosphor: Geschätzte 14 Millionen Tonnen davon bringen wir weltweit jedes Jahr in die Umwelt ein, zu 90 Prozent als Dünger.

Doch die Phosphorvorkommen sind ungleich verteilt – 80 Prozent davon liegen in Marokko und der Westsahara, China, Südafrika und Jordanien. Wie lange die Reserven reichen, ist nicht ganz klar. Sicher ist jedoch, dass die Phosphor-Gewinnung immer aufwendiger wird. Trotzdem spülen wir ihn jeden Tag die Toilette runter, rund 200 Milliliter bei jedem Gang – splusch –, bei jeder Spülung genug Phosphor, um vier Karotten zu ziehen. Splusch – jeden Tag im Schnitt fünfmal – splusch –gut 80 Millionen Menschen in Deutschland – splusch, splusch, splusch…

Alles landet, zu einer unansehnlichen Brühe vermischt, im gleichen System

Unser heutiges System der Abwasserentsorgung ist teuer und aufwendig. Es basiert auf riesigen unterirdischen Kanalnetzen, die an große, zentrale Kläranlagen angeschlossen sind. In Bayern ist allein die öffentliche Kanalisation rund 100.000 Kilometer lang. Dazu kommen noch mindestens doppelt oder dreimal so viele Kilometer nichtöffentlicher Kanäle. Um das Abwasser zu den Kläranlagen zu transportieren, vermischen wir es mit enormen Mengen Trinkwasser. Urin, Kot und das Grauwasser genannte sonstige Abwasser aus Küche und Bad, alles landet, zu einer unansehnlichen Brühe vermischt, im gleichen System. Dazu kommt meistens noch das Regenwasser – alles in allem eine ziemliche Menge Wasser. So viel, dass die Kläranlagen immer häufiger an ihr Limit geraten. Bei heftigem Starkregen etwa fließt das Abwasser darum immer mal wieder ungeklärt in die Flüsse. Aufwendig, teuer – und nicht immer effektiv. Kann man das nicht anders machen?

Bei jeder Spülung der Toilette geht genug  Phosphor verloren, um vier Karotten zu ziehen.
Foto: Matthias Zimmermann

Kann man, sagen Riechmann und Londong. Und es sei höchste Zeit, damit anzufangen. Darum jetzt erst mal wieder zurück zu dem gelben Container, der „P-Bank“ vor der Uni, zum Praxistest. Ein wasserloses Urinal in einer gelben Toilettenkabine. Auf dem gelben Boden steht in schwarzer Schrift ein großes „P“ in einem stilisierten Tropfen und darunter: „Bitte spende hier“. Kleine Änderung, große Wirkung. „Danke“, sagt hier nicht der, der seinen Urin loswerden darf, sondern der, der ihn bekommt.

Wenn man aus der Kabine kommt und vor das Waschbecken tritt, blickt man hinter einer Glasscheibe auf ein Gewirr von Rohren, Flaschen und Filtern. Was kompliziert aussieht, ist aber, wie Londong und Riechmann versichern, ganz einfach. Im Prinzip geht es darum, den Phosphor und die anderen Nährstoffe aus dem Urin zurückzugewinnen, bevor er mit allem anderen Abwasser vermischt ist. Denn im Urin sind gut 80 Prozent aller Nährstoffe. Im großen Fluss des Schmutzwassers, der in die Kläranlage fließt, macht er aber nur ein Prozent der Wassermenge aus. Man kann es sich in etwa vorstellen wie die Mülltrennung zu Hause: Getrennt gesammelt lassen sich Plastik, Papier und Glas einfach recyceln, andernfalls wird’s kompliziert.

Beim Urinal ist die Frage der Trennung ziemlich einfach. Nicht umsonst sind wasserlose Systeme längst weitverbreitet. Bei Spültoiletten tüfteln die Hersteller schon seit Jahrzehnten an einer Lösung, die nicht fehleranfällig ist und einfach zu pflegen. Aber jetzt: „Das Problem des User Interface ist jetzt gelöst“, sagt Londong. Und in der zweiten Kabine der P-Bank kann man die Neu-erfindung der Toilette auch gleich ausprobieren. Ein Schweizer Hersteller hat nach langer Forschung ein so simples wie effektives System entwickelt. In der neu entwickelten Schüssel mit dem Namen „save!“ fließt der Urin in einen separaten Urinauslass in einen Extratank. Der Rest vom Geschäft und das Wasser zum Spülen fließen wegen Unterschieden in der Fließgeschwindigkeit über diese Urinfalle hinweg.

Jetzt ist alles da, um zu bekommen, was Riechmann und Londong sich wünschen: jede Menge reiner Urin. Aber was macht man damit? Die Antwort kommt wieder aus der Schweiz. An der Eawag haben Riechmanns Kollegen in jahrelanger Forschung den Prozess, der hier gezeigt wird, so weit perfektioniert, dass sie den Urin in drei Schritten in einen zehn- bis 20-fach konzentrierten Flüssigdünger verwandeln. Aurin heißt das Produkt, das dort seit dem Jahr 2018 eine uneingeschränkte Zulassung als Pflanzendünger hat – weil es reich an Nährstoffen und frei von eventuell im Urin vorhandenen Medikamentenrückständen, Hormonen oder Krankheitskeimen ist. In landwirtschaftlichen Versuchen hat sich Aurin als genauso wirksam erwiesen wie unter großem Energieeinsatz hergestellter konventioneller Phosphordünger, der zudem häufig noch mit Schwermetallen wie Cadmium und Uran belastet ist. Hergestellt und verkauft wird es von der Firma Vuna, ein Start-up von Forschern der Eawag.

Aus 1000 Liter Urin werden 70 Liter Dünger und 930 Liter destilliertes Wasser

An der P-Bank kann man den ganzen Prozess erfahren: Im temporären Restaurant „Lücke“, gleich neben dem gelben Container, sitzen die Gäste bei Burger, Saft und Bier. Das erhöht die Spendebereitschaft. Wer aus dem Spendezimmer wieder heraustritt, darf sich ein kleines Glasfläschchen mit gelbem Etikett mitnehmen: eine Probe Aurin. Auf dem Weg zurück zur „Lücke“ läuft man vorbei an Beeten und Trögen mit Gemüsepflanzen, die mit Aurin gedüngt werden. Theoretisch könnte die Ernte hier wieder in der Restaurant-Küche landen – der Kreislauf wäre geschlossen.

Aus 1000 Liter Urin können nach zwei bis drei Tagen Verarbeitung 70 Liter Aurin und 930 Liter destilliertes Wasser werden, genug für 2000 Quadratmeter gedüngten Boden. Und obwohl sich hier alles um Urin dreht, riecht es nirgends nach Urin. Niemandem scheint es unangenehm zu sein, über Urin und Toilettengewohnheiten zu sprechen. Ist die Toiletten-Revolution also nicht mehr aufzuhalten?

Wer aus dem Spendezimmer wieder heraustritt, darf sich ein kleines Glasfläschchen mit gelbem Etikett mitnehmen: eine Probe des Flüssigdüngers Aurin.
Foto: Matthias Zimmermann

„Eine große Bremse ist die bestehende Infrastruktur“, sagt Londong. Städte und Kommunen haben über Jahrzehnte viel Geld in Kanäle und Kläranlagen investiert. Auch bestehende Häuser und Wohnanlagen nachzurüsten kostet Geld. Der gesammelte Urin müsste dann entweder vor Ort transformiert oder mit einem Tankzug zu einer Aufbereitung gefahren werden. Aber es gibt immer mehr neue Projekte, die eine getrennte Urinsammlung und -aufbereitung umsetzen. Die europäische Weltraumbehörde Esa zum Beispiel integriert so ein System im Neubau ihres Hauptsitzes in Paris. Schließlich ist die Urinverwertung auch auf Langzeitmissionen im All ein Thema. In Hamburg entsteht mit der Jenfelder Au ein komplettes Viertel, das nicht nur energieautark sein soll, sondern gar keinen Anschluss mehr an die Kanalisation der Stadt bekommt. Urin und Fäkalien werden nicht getrennt, sondern in einer Biogasanlage zu Strom und Dünger. Auch in Paris soll das Neubauviertel Saint-Vincent de Paul im noblen 14. Arrondissement eine zentrale Urinaufbereitung zur Aurin-Produktion erhalten.

„Es gibt nicht eine Lösung für alle“, erklärt Riechmann. Aber es gibt mittlerweile sehr oft sehr viel bessere Lösungen als die bisherige. „Länder, die noch kein Kanalisationssystem wie wir haben, können diese Stufe überspringen, und es ist sofort wirtschaftlich“, ergänzt Londong. Auch für die Umwelt wäre dies ein großer Schritt: Die Nährstoffe aus dem Urin, die über die Flüsse ins Meer geschwemmt werden, sind für das Land verloren und sorgen im Wasser für Überdüngung. Die Zusammenhänge sind längst bekannt. Die Technologie ist startklar. Der Wandel könnte morgen beginnen. Nur müssten noch mehr Leute beginnen, anders auf die Dinge zu schauen.

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