Vom Behüten der Augäpfel Albrecht Dürers
Über das Selbstporträt des großen alten Meisters ist zwischen Nürnberg und München ein Streit entbrannt
Nürnberg/Augsburg Was Mozart für Salzburg, ist Dürer für Nürnberg. Klar, dass Salzburg 2006, zum 250. Geburtstag Amadés, auch jenen Brief aus dem Augsburger Stadtarchiv der Öffentlichkeit zeigen wollte, in dem Vater Mozart 1756 die Geburt des Sohnes gen Augsburg anzeigte. Salzburg erhielt den Brief 2006 ausleihweise.
Klar, dass Nürnberg 2012, wenn es eine große Schau über den jungen Dürer ausrichtet (Start am 24.Mai im Germanischen Nationalmuseum), auch jenes überragende Selbstporträt des 28-jährigen AD der Öffentlichkeit zeigen will, in dem sich der Meister selbstbewusst in Christus-Haltung darstellt und das Dürers Atelier-Haus unterhalb der Nürnberger Burg zu seinen Lebzeiten, also bis 1528, angeblich nie verließ. Heute hängt die Ikone in der Alten Pinakothek München. Ob aber Nürnberg sie ausleihweise erhält, ist mehr als fraglich.
Geht es nach dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und nach der Stadt Nürnberg, sollte das Selbstporträt ausgeliehen werden: Konservatorische Gründe gebe es nicht, da das Tafelbild in gutem, transportablem Zustand sei, und die Entfernung München – Nürnberg sei eh eine geringe.
Ein Hauptwerk der Alten Pinakothek
Geht es nach der Alten Pinakothek, bzw. nach den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, darf das Selbstporträt nicht ausgeliehen werden. Erstens, weil es zu den Hauptwerken der Alten Pinakothek gehört; zweitens, weil es in dieser Funktion besonderen Schutz bedarf. Aus diesem Grund steht das Bild auch bereits seit 2009 auf einer Liste von 114 nicht ausleihbaren Werken.
Geht es aber, drittens, nach der bayerischen Landespolitik, dann wiederum sollte der Dürer, exakt zur Zeitenwende 1500 gemalt, in Nürnberg ausgestellt werden. Ministerpräsident Seehofer, Kunstminister Heubisch und Finanzminister Söder setzen sich mit den jeweils ihnen eigenen rhetorischen Mitteln dafür ein – gleich, nachdem die Haltung der Alten Pinakothek publik geworden war, aber erst etliche Monate nach einer Ausleihbitte des Nürnberger Oberbürgermeisters Maly an die Staatskanzlei.
Wie die Sache ausgeht? Eigentümer des Gemäldes ist die Wittelsbacher Landesstiftung, vertreten durch einen dreiköpfigen Vorstand, der sich zusammensetzt aus dem Wittelsbacher Chef Franz Herzog von Bayern, Burkhard von Urff (zuständig für Museen und Sammlungen im Kunstministerium) sowie Klaus Schrenk, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Deren Pressestelle bekräftigte gestern, dass es bei der Ausleihsperre bleibe. „Die Dinge stehen fest.“
Was aber, wenn Seehofer in einem anberaumten Gespräch Franz Herzog von Bayern zu einer Ausleihe überredet und Heubisch im Ministerium Burkhard von Urff bearbeitet? Sind dann die Karten neu gemischt? Gibt es dann eine Ausnahme von der Ausleihsperre – gegen den Willen Schrenks?
Martin Schawe, Referent für altdeutsche Kunst bei den Staatsgemäldesammlungen, weist daraufhin, dass die Sperrliste immerhin seinerzeit vom Kunstministerium selbst abgezeichnet worden sei. Und er sagt: „Nürnberg erhält immerhin Dürers Porträt des „Oswolt Krel“ (1499), dessen Ausleihe wir in den vergangenen 40 Jahren gegenüber etlichen Bittstellern verweigert haben. Das können wir verantworten, obwohl es auch ein empfindliches Bild ist.“
Eine gewisse Verbitterung Nürnbergs darüber, dass Dürers Selbstporträt anscheinend unerreichbar ist, bleibt übrigens durchaus verständlich, wenn man das Dürer-Haus unterhalb der Burg besucht. Dort wird erläutert, wie das Bild einst nach München gelangte. Wie die Stadt Nürnberg Ende des 18. Jahrhunderts das Werk von dem Maler Küfner restaurieren lassen wollte, wie dieser dann aber die Holztafel spaltete und auf die gewonnene Platte eine Kopie des Bildes malte. Und wie er diese der Stadt Nürnberg übergab. Und wie schließlich das Original – gegen Bezahlung, versteht sich – nach München in die Hofgartengalerie ging.
Diese Geschichte ist in der Kunstgeschichte zwar umstritten, aber das Dürer-Haus in Nürnberg erzählt sie. Der Schmerz sitzt tief.
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