Zwei Künstler und ihre Liebe zu Sand, Lehm und Stein
Hier wächst zusammen, was zusammen gehört: Der Plastiker Jochen Rüth zeigt, was er in jener Sahara gefunden haben könnte, die Hartmut Pfeuffer ins Gemälde setzt.
Sie wussten gegenseitig nichts von ihrer zeitlich parallel entstehenden Kunst. Doch nun sind sie nicht nur zusammengespannt in einer Ausstellung, sondern ergänzen sich auch noch auf das Eindrucksvollste: der Maler Hartmut Pfeuffer aus Höchstädt an der Donau (1949–2018) und der 1960 geborene Plastiker Jochen Rüth aus Altisheim (Landkreis Donau-Ries). Warum das so ist? In einem Satz zusammengefasst, lautet die Antwort: Unter dem Titel "Keramik trifft Wüstenlandschaft" zeigt das Museum Oberschönenfeld jene Arbeiten von Rüth, die geradezu wie Gesteinsfragmente oder wie archäologische Relikte aus jenen nordafrikanischen Sahara-Regionen wirken, die Hartmut Pfeuffer mit Öl auf Leinwand in eine totale Szene setzte.
Pfeuffer bereiste zwischen 1990 und 2016 Algerien, Ägypten, Libyen, Mali, Marokko, Niger sowie Tschad, um in Skizzen, Zeichnungen, hernach großformatigen Landschaftsgemälden festzuhalten, was sich im lebensabweisenden Sand vor zwangsläufig klein wirkenden Betrachtern gewaltig auftürmt: Dünen, urzeitliche Felsformationen, Lehmbauten, Hirsespeicher, Nomadengräber, Kultstätten. Pfeuffer fasst das akribisch, penibel, stupfend ins Bild – und bleibt dennoch Künstler, nicht Dokumentar. Seine Liebe zu, seine Ehrfurcht vor dem Wüstenmotiv sind offensichtlich – ihnen dient seine feine Stilistik: die gegenübergestellte harmonische Reinheit des verhalten leuchtenden blauen Himmels und der verhalten leuchtenden Ockertöne des Sands, die gegenübergestellte harmonische Reinheit von Licht, Halbschatten und Schatten voller weicher Konturen, schließlich die wesenhafte Plastizität von Gesteinsformation, Kulturbauten. Nicht Mensch, Tier, Pflanze sind auf diesen Landschaftsgemälden zu sehen, die im 19. Jahrhundert noch dem Augenreiz des Exotischen zugeordnet gewesen wären, stattdessen erheben sich Stille, Weite, Größe – und dazu scheinbar die Kategorie Ewigkeit.
In der Schwäbischen Galerie in Oberschönenfeld sind klassisch geschulte Panoramen versammelt
Die Wahrheit freilich ist, dass die festgehaltene Stille mittlerweile durch politischen und/oder religiösen Terror häufig verloren ist, Lebens- und Kulträume verfallen. Gleichwohl: Grandiose, heroische, ideale, klassisch geschulte Panoramen versammelt das Museum Oberschönenfeld in zumeist stehender, nicht hängender Form; Panoramen, die der Künstler selbst zu Lebzeiten allenfalls sehr schweren Herzens aus der Hand gab ...
Er, einst ein Schüler von Heinz Butz an der Münchner Kunstakademie, erläuterte kurz vor seinem Tod: "In einem letzten Arbeitsgang überziehe ich mit feinstem Pinsel die Bildfläche mit winzigen Farbtupfen. Sie könnten an die feinen Sandkörnchen erinnern, die, aufgewirbelt vom unaufhörlich wehenden Wind, für das diffuse Licht verantwortlich sind, das ich wiedergeben möchte."
Zwischen Hartmut Pfeuffers Sahara-Landschaften lagern die Plastiken von Jochen Rüth
Und vor und zwischen Hartmut Pfeuffers Sahara-Landschaften lagern nun die Plastiken Jochen Rüths, als ob sie vor Ort geologisch oder durch Menschenhand entstanden, dann gefunden und hernach aufgebrochen worden wären, um einen Blick ins Innere dessen zu werfen, was die Welt an Kräften zusammenhält. Und könnten die sieben "Ziegelvariationen" nicht auch Wirbelsäulenfragmente eines Großtiers sein? So wie sie hier liegen, halb organisch gewunden, halb scharfkantiges Element, wie von einem architektonischen Stützapparat? Aber nein, sämtliche Plastiken Jochen Rüths, ob intakt oder in Bruchstücke zerlegt, sind eigenhändig geformt, gebrannt, weiter bearbeitet – aus Lehm, gemischten Steinzeug-Tonen, aus Porzellan. Und zwar auch dann, wenn der Werktitel Bezug auf tatsächliche geologische Erscheinungen wie die "Geoden" nimmt, also auf solche Hohlräume im erstarrten Lavafluss, die durch Gasblasen entstehen und – ummantelt – Mineralien, Kristalline enthalten.
Diese "Geoden" schafft Jochen Rüth selbst, brennt sie in den Fußstapfen alter japanischer Holzofen-Techniken und bricht sie hernach auf, um die Ästhetik von gebrannten Erden, Rissen, Spaltkanten, Fragmenten, Glasuren, Hitzereaktionen im Inneren, Versinterungen sichtbar zu machen. Seine Plastiken stehen im Spannungsfeld von Kunsthandwerk, Kunst und Elementarkräften.
Also sehen wir in Oberschönenfeld in bester Entsprechung die Plastiken der "aufgebrochenen Steine" von Jochen Rüth in Nachbarschaft zu einer "zerborstenen Granitkugel" in Südalgerien – von Hartmut Pfeuffer in Öl festgehalten. Pfeuffer malte sich gleichsam selbst gestaltende und sich langsam selbst auch durch Hitze zersetzende Geologie; Rüth hilft dieser Gestaltung und ihrer Fragmentierung durch Brennofen und seine Hände beschleunigend nach. Was dabei an Artefakten entsteht, gehört nicht selten auch in die Kategorie "schöne Überraschung".
Schwäbische Galerie Oberschönenfeld, Laufzeit bis 7. April, Öffnungszeiten: Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr.
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