Ein Kompliment mit Schürze
Viele Wiesn-Besucher schmeißen sich in Tracht - auch, wenn sie eher bunte, billige Produkte tragen. Ist das nicht trotzdem ein schönes Kompliment an die bayerische Kultur?
Streng genommen gibt es nicht viel echte Tracht zu sehen auf dem Oktoberfest in München. Was derzeit an kunterbunten Schürzen und karierten Hemden über die Wiesn flattert, hat mit der eigentlichen bayerischen Tradition nur noch wenig zu tun. Und trotzdem tun die aufgebügelten Hasen und Herzen und die billigen blau-weißen Baumwollhemden ganz Bayern gut. Sie zeigen, dass Brauchtum im Freistaat gelebt wird – auf eine moderne Art.
Ja, die Modelle sind in den vergangenen Jahren immer bunter und verrückter geworden. Ja, für viele sind die aufreizend geschnittenen Kleidchen und die bestickten Hosenträger eine Art Verkleidung, in der sie – wie sonst nur im Fasching – für ein paar Stunden in eine andere Rolle schlüpfen können. Und, ja, die meisten derer, die derzeit in Dirndl oder Lederhose auf Holzbänken tanzen, wissen nicht, dass es Bier in Bayern außerhalb der Wiesn durchaus auch in Halb-Liter-Portionen zu kaufen gibt – und kennen Weißwürste nur aus dem Fernsehen.
Aber dass Millionen Menschen aus der ganzen Welt freiwillig, gern und in aller Öffentlichkeit während des Oktoberfests für ein paar Stunden ihren Kleidungsstil komplett ändern, ist ein Kompliment an den Freistaat Bayern und seine Bewohner, das kaum zu überbieten sein dürfte. Denn, so bunt und schrill die Stoffe und Schnitte teils sind, sie sind dennoch ein Zeichen der Begeisterung für die Tradition dieses Landes.
Über Geschmack darf dabei ruhig gestritten werden. Auch das ist gelebte Kultur. Und die Mitglieder der zahlreichen Heimatvereine aus dem Münchner Umland sorgen mit ihren Gewändern, teils aufwendig nach historischem Vorbild maßgeschneidert, dafür, dass in dem ganzen Trubel auch die echten Trachten nicht in Vergessenheit geraten.
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