FDP in der Krise: Röslers Hypothek
Drei Jahre nach dem Traumergebnis von 14,6 Prozent hat die FDP sich noch immer nicht von ihrem Realitätsschock erholt.
Die Angst geht um in der FDP. Die Angst vor einem Leben ohne Politik. Bei Umfragewerten um die fünf Prozent dürfen nur die Liberalen auf den Wiedereinzug in den Bundestag hoffen, die auf ihren Landeslisten einen vorderen Platz ergattern. Entsprechend groß ist die Nervosität unter den 93 Abgeordneten der Fraktion: Nach der großen Nominierungsrunde, die im Herbst beginnt, kann mehr als die Hälfte von ihnen schon einmal den Mietvertrag für die Zweitwohnung in Berlin kündigen.
Drei Jahre nach dem Traumergebnis von 14,6 Prozent hat die FDP sich noch immer nicht von ihrem Realitätsschock erholt. In der Euphorie des Erfolges hatte sie damals unterschätzt, wie sehr elf Jahre Opposition eine Partei verändern, wie leicht es ist, einfach nur gegen etwas zu sein, und wie schwer es ist, ein Land aus dem Stand heraus mit zu regieren. Dieses ebenso großspurige wie amateurhafte Verständnis von Macht liegt wie eine Hypothek auf der FDP, der Wechsel von Guido Westerwelle auf Philipp Rösler hat daran nicht viel geändert. Im Gegenteil: Befreit vom Parteivorsitz hat der eine sich zu einem respektablen Außenminister gemausert, während der andere allmählich zur tragischen Figur wird.
Im Prinzip geht es Rösler wie vor ihm Westerwelle: Er hat mit seinem Versprechen, nun werde geliefert, Erwartungen geweckt, die er nicht erfüllen kann. Mal sind es Sozialdemokraten und Grüne, die im Bundesrat das Entschärfen der Steuerprogression behindern. Mal ist es der Koalitionspartner, der sich erfolgreich gegen den Wegfall der Praxisgebühr oder einen liberalen Weg beim Speichern von Daten auf Vorrat sperrt. Dem jungen Rösler fehlt jene natürliche Autorität, die ihn zu einem gleichberechtigten Partner neben Angela Merkel und Horst Seehofer machen würde.
So gesehen ist es aus Sicht der FDP fast schon geschäftsschädigend, mit Rösler in die Wahl zu ziehen. Um die Fünf-Prozent-Hürde sicher zu nehmen, wird sie vor allem ihre Stammwähler mobilisieren müssen, die kleinen Unternehmer, die Ärzte, Steuerberater und Apotheker – und bei denen steht Rainer Brüderle deutlich höher im Kurs.
Der Fraktionschef betreibt diesen Wechsel nicht aktiv. Der Tag jedoch, an dem die ersten seiner 93 Abgeordneten die Kandidatenfrage stellen, wird noch kommen, dazu steht für viele von ihnen zu viel auf dem Spiel. Auch das Drehbuch für den Putsch gegen Rösler ist schon geschrieben. Es beginnt mit einer Niederlage der FDP bei der Niedersachsenwahl im Januar.
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