Wenn immer mehr einfache Jobs verschwinden
Der Arbeitsmarkt boomt, aber nicht für Menschen mit Behinderung. Es lässt sich aber mehr erreichen als bisher, sagt die Behindertenbeauftragte Marianne Mayer
Mindelheim Die heimische Wirtschaft brummt, ausgebildete Arbeitskräfte sind zum kostbaren Gut geworden. Auf 1,7 Prozent ist die Arbeitslosenquote des Unterallgäu im November zurückgegangen. Und doch gibt es eine Gruppe, die sich nach wie vor sehr schwer tut, in der freien Wirtschaft Fuß zu fassen: Menschen mit Behinderung. 102 sind nach Angaben des Leiters der Arbeitsagentur Memmingen, Peter Rasmussen, derzeit auf Jobsuche. In den vergangenen zwei Jahren gab es hier keinen Fortschritt.
Chef der Arbeitsagentur: Einsetzbar wie andere Fachkräfte auch
Rasmussen sagt: „Behinderte Menschen gehören in die Mitte unserer Gesellschaft und sind einsetzbar wie andere Fachkräfte auch“. Mit einer bundesweiten Aktion wollen die Arbeitsvermittler mehr Menschen mit Behinderung im sogenannten ersten Arbeitsmarkt unterbringen. Leiter Rasmussen informierte vor Medienvertretern über die Situation von arbeitslosen Schwerbehinderten und das Angebot an Stellen für diesen Personenkreis im Agenturbezirk.
Dass sich Menschen mit Behinderung schwer tun, bestätigt die Behindertenbeauftragte für das Unterallgäu, Marianne Mayer aus Mindelheim. Viele Betriebe scheuten den Papierkram. Dieser sei notwendig, um an Zuschüsse zu gelangen. Deshalb stellt Marianne Mayer den Erstkontakt zwischen Firma und Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur her.
Sie steht auch danach mit Rat und Tat zur Verfügung. Und sie hält den Kontakt zu den Firmen. Besonders gut läuft es mit Unternehmen, die schon länger mit Behinderten zusammenarbeiten. Mayer nennt die Baufirma Glass, die Brauerei Störchle und den V-Markt. Diese Firmen loben die Zuverlässigkeit, die Betriebstreue und den hohen Einsatz ihrer behinderten Mitarbeiter. Dem Betriebsklima komme das obendrein gut.
Erst kürzlich waren die beiden Behindertenbeauftragten Marianne Mayer und Agnes Schragl bei einem IHK-Treffen in den Räumen der Firma Riebel dabei. Thema: Facharbeitermangel – Chancen und Möglichkeiten. Die beteiligten Firmenvertreter hätten großes Interesse gezeigt, sagte Mayer.
Immer wieder trifft Mayer auf Vorbehalte. Viele Firmen hätten Angst, behinderten Mitarbeitern nicht mehr kündigen zu können. Dem sei aber nicht so. Aus wirtschaftlichen Gründen seien Entlassungen genauso möglich.
„Das Sozialgesetzbuch schreibt vor, dass Firmen ab 20 Arbeitsplätzen auf mindestens fünf Prozent davon Schwerbehinderte beschäftigen müssen. Wer das nicht tut, zahlt pro nicht besetztem Platz 105 Euro im Monat als Ausgleichsabgabe“, erklärte Rasmussen (siehe Infokasten).
Bei Privatbetrieben gebe es derzeit 1676 und bei öffentlichen Arbeitgebern 115 nicht besetzte Arbeitsplätze. „Wenn auch nicht jeder Platz für jeden Behinderten der richtige ist, so gibt es da sicher Potenziale“, versicherte der Agenturchef und verwies auf Fachleute, die Behinderte und Firmen über berufliche und finanzielle Möglichkeiten berieten und Stellen vermittelten.
Allerdings macht sich Marianne Mayer nichts vor. Viele Jobs in der komplexen Wirtschaft seien sehr anspruchsvoll. „Ein Rollstuhlfahrer mit einem Intelligenzquotienten von 120 wird keine Probleme haben“, sagt Mayer. Wer allerdings einen IQ von 71 mitbringt und „Remmi-Demmi“ macht, da werde jeder sagen: nein danke.
Es wird also immer nur ein Teil der Menschen mit Behinderungen überhaupt die Chance auf einen Job in der Wirtschaft haben. Erfolgreich seien vor allem Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen. Denen müsse man aber die notwendige Zeit lassen. Aber auch die behinderten Jugendlichen könnten selbst ihr Teil zu einer Erfolgsgeschichte beitragen. Zwölf bis 15 beenden alljährlich das Föderzentrum. Wer in der Schülerfirma aktiv mitgemacht hat, der hat beste Aussichten, wenn er teamfähig ist und gute Umgangsformen hat.
Sicher ist aber auch: Die nächste Rezession kommt. In der Vergangenheit sei noch jede von Nachteil für Behinderte gewesen, sagt Mayer. Viele produzierende Arbeitsplätze würden dann vermehrt nach China und Indien abwandern. Hochtechnische Arbeitsplätze könnten Behinderte aber nicht einnehmen. Früher habe es die Firmen Schneider und Kunert gegeben. Und selbst im Krankenhaus waren Menschen mit Behinderung untergekommen. Heute sei der Putzdienst weitgehend „outgesourct“ mit der Folge, dass Behinderte immer weniger Chancen bekommen. (py/jsto)
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