Sie bangt um das Leben der Verwandten auf den Philippinen
Merlinda Abaigar aus Senden stammt aus der vom Taifun verwüsteten Region. Viele ihrer Angehörigen sind noch vermisst, die Überlebenden berichten Schlimmes
Von Bernhard Junginger
Senden/Neu-Ulm Sie hält die Ungewissheit kaum aus: Haben ihre Verwandten in der philippinischen Heimat den verheerenden Taifun „Haiyan“ überlebt? Seit Tagen wartet Merlinda Abaigar auf Nachrichten, auf Lebenszeichen aus dem Katastrophengebiet. „Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, Nichten und Neffen – von vielen Angehörigen wissen wir nicht, ob sie es geschafft haben“, sagt sie. Sind sie unter den vielen Tausend Todesopfern, die der Wirbelsturm gefordert hat, der am Freitag mit bis zu 320 Kilometern über die Hafenstadt Tacloban gefegt ist? Sind sie verletzt oder in einem der von der Außenwelt abgeschnittenen Gebiete gefangen, von Hunger und Seuchen bedroht? Merlinda Abaigar ist verzweifelt.
Die wenigen Nachrichten, die sie – meist über das Internet von Bekannten aus dem Katastrophengebiet erreichen, sind bedrückend: „Es herrscht Chaos, Häuser, Straßen, Telefonleitungen, es ist alles zerstört.“ Noch schlimmer als die Menschen in den Städten trifft es laut Merlinda Abaigar die Bewohner ländlicher Regionen: „Ganze Landstriche sind nach der Taifunkatastrophe völlig abgeschnitten, weil die Brücken weggespült wurden, weder Transporte noch Nachrichten dringen durch, es gibt keine medizinische Versorgung. Aus Verzweiflung plündern Überlebende Geschäfte und Lagerhäuser, die Menschen kämpfen um das nackte Überleben.“ Das Katastrophengebiet, die Region um die 220000-Einwohner-Stadt Tacloban, ist die alte Heimat der 55-jährigen Philippina. „Diese Gegend existiert jetzt praktisch nicht mehr“, sagt sie erschüttert.
Vor fast 30 Jahren kam Merlinda Abaigar nach Deutschland. Die junge Krankenschwester hatte sich in einen Deutschen verliebt, der auf den Philippinen Urlaub machte – ihren späteren Ehemann Gerhard. Heute lebt sie in Wullenstetten und arbeitet im Seniorenzentrum St. Elisabeth in Senden als Altenpflegerin. Mit ihrem Mann engagiert sie sich im deutsch-philippinischen Kulturverein Senden, der mehr als 70 Mitglieder aus ganz Süddeutschland hat. Die Taifunkatastrophe ist derzeit das Gesprächsthema Nummer Eins im Verein. Auch wenn die allermeisten anderen Vereinsmitglieder nicht wie Merlinda Abaigar direkt aus der betroffenen Region stammen, sind alle tief besorgt über die Lage im Notstandsgebiet. Und wollen natürlich ihr möglichstes tun, um die Not zu lindern.
Der deutsch-philippinische Kulturverein hat in der Vergangenheit schon viele Hilfsprojekte auf der Inselgruppe unterstützt, für Krankenstationen und Schulen gespendet. Auch nach früheren Unwetter- und Flutkatastrophen wurden Hilfsgüter und Spendengelder gesammelt. Natürlich werde der Verein auch nach dem Taifun wieder so gut wie möglich helfen. Merlinda Abaigar ist klar, dass der Wiederaufbau viele Jahre dauern wird.
Momentan herrsche eine gewisse Hilflosigkeit, noch sei überhaupt nicht klar, welche Aktionen sinnvoll seien. „Wir wollen schnell helfen, aber derzeit ist das Chaos noch viel zu groß, wir haben noch keine Kontaktpersonen“, sagt sie. Nachbarn, die sie fragen, wie sie den Taifunopfern auf den Philippinen am besten helfen können, empfiehlt Merlinda Abaigar einstweilen, an große Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz zu spenden. Auch sie könne im Moment nichts tun – außer telefonieren, über das Internet Kontakt ind die Heimat halten, auf Lebenszeichen warten. In den Nachrichten verfolgt sie die Berichte über das Schicksal ihrer Landsleute – immer neue Schreckensbilder, immer höhere Opferzahlen. Dazwischen kleine Hoffnungsschimmer. Eine Nachricht von einem Vetter, der noch am Leben ist. Die Hilfsaktionen der internationalen Gemeinschaft, die jetzt anlaufen. Spuren von Trost. Doch da sind noch so viele Menschen, so viele Angehörige, Freunde, Bekannte, deren Schicksal ungewiss ist. Merlinda Abaigar sagt: „Ich glaube fest daran, dass sie am Leben sind.“
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