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Timo Handschuh vertauschte Dirigentenstab mit dem Münsterorgelspieltisch
Ulm Timo Handschuhs Arbeitsplatz ist sonst ein anderer: Der Generalmusikdirektor des Theaters dirigiert an anderen Tagen die Ulmer Philharmoniker.
Am Sonntag allerdings vertauschte er seinen Platz auf dem Dirigentenpult mit dem Platz des Münsterorganisten – und präsentierte einem neugierigen Publikum im zehn Grad kalten evangelischen Ulmer Münster sein enormes Können an der Orgel, das der katholische Schwarzwälder während seines Studiums in Stuttgart und Freiburg erworben hat.
Französische Spätromantiker in nuancierter Interpretation
Großen französischen Organisten der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – Charles Marie Widor, César Franck und Maurice Duruflé – widmete Timo Handschuh seine „Voyage musicale à Paris“, seine Konzertreise an der Münsterorgel – und überraschte sein Publikum dabei mit einer leisen, filigranen Interpretation der Orgelwerke, die deren Nuancenreichtum zur Geltung brachte.
Handschuh gelang es durch diese zurückhaltende Interpretation, jene Klangballungen vollständig zu vermeiden, die Gastorganisten im Ulmer Münster immer wieder durch den extrem langen Nachhall im Kirchenraum passieren. Nach farbigen, trotz der Zurückhaltung kontrastreichen Interpretationen von Kompositionen César Francks und Charles Marie Widors setzte Timo Handschuh als dynamisch sich immer mehr steigernden Schlusspunkt (doch ohne die Wucht, zu der die Münsterorgel fähig ist) eindrucksvoll Maurice Duruflés Erinnerung an seinen 1940 im Zweiten Weltkrieg gefallenen Freund und Kollegen Jéhan Alain – das mit den Buchstaben des Familiennamens spielende „Prélude et fugue sur le nom d´Alain“ – ans Ende des Sonntagsorgelkonzerts. Dies machte die bisher ungehörte Seite des Ulmer Generalmusikdirektors, den ausgebildeten Kirchenmusiker, auf gestalterische Weise am Orgelspieltisch hörbar.
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