
Ganz nah dran am Teufelskreis

„Der Hauptmann von Köpenick“ überzeugt in einer verdichteten Inszenierung am Theater Ulm. Mehr zur Wiederaufnahme lesen Sie hier.
Im Juni und Juli hatte Andreas von Studnitz’ Inszenierung von Carl Zuckmayers „deutschem Märchen“ um den Hauptmann von Köpenick viel Publikum zum Open Air in die Wilhelmsburg gelockt. Acht Monate später wechselt das Stück den Standort: Im Podium des Theaters Ulm verdichtet Studnitz seine Inszenierung auf wesentlich kleineren Raum. Das tut dem Stück gut, denn in manchen Szenen hatte das Schauspiel in der wuchtigen Wilhelmsburg-Szenerie etwas verloren gewirkt. Was dort weit entfernt vom Publikum stattfand, kommt im Podium ganz nah.
Der Slapstick, der die Wilhelmsburg-Inszenierung neben den menschlich tief anrührenden Szenen auch zur leichteren Sommerunterhaltung gemacht hatte, tritt in seiner Wirkung im Podium zurück. Wohl zeichnet vor allem Christl Mayr das Zerrbild des zackig-gehorsamen Untertanen, der nicht nach dem Sinn einer Anordnung fragt.
Ohne Requisiten, mit Ausnahme eines Degens
Die starke Wirkung der Inszenierung im Podium beruht aber vor allem auf den kleinen Gesten und auf der berührenden Beziehung der beiden Figuren, die am Rand der militaristischen Gesellschaft vegetieren, Wilhelm Voigts (Jörg-Heinrich Benthien) und des kranken Mädchens (Renate Steinle). Der Teufelskreis, der dem einmal aus der Gesellschaft Gefallenen eine Rückkehr in ein ehrbares Leben verunmöglicht, ist nicht zu durchbrechen: Papiere, Wohnung und Arbeitsstelle bedingen sich gegenseitig. Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Papiere, ohne Papiere keine Arbeit. Wie die Wilhelmsburg-Inszenierung verzichtet die Podiums-Ausgabe des „deutschen Märchens“ auf jede Requisite mit Ausnahme eines Portepee-Degens. Das wirkt in Nahaufnahme noch bizarrer, wenn sich die aus der Haftanstalt Plötzensee Entlassenen (Jörg-Heinrich Benthien und Fabian Gröver) einen Cognac genehmigen, aber nicht einmal Gläser in den Händen halten. Die Brücke als Bühnenbild der Wilhelmsburg wie auch die blaue Fläche davor übernimmt die Podiums-Inszenierung in verkleinerter Form für ihre komprimierte Ausgabe. Die durch das Podium bedingte räumliche Nähe bezieht den Zuschauer aber wesentlich stärker in das Geschehen auf der Bühne ein, die Wirkung allein der abgelegten Uniform des Bürgermeisters Dr. Obermüller auf die Haltung und Gestik des vorher abgerissenen Ausgestoßenen Wilhelm Voigt findet unmittelbar vor den Augen des Zuschauers statt. Kleider machen Leute, Uniformen machen fraglose Unterwürfigkeit.
Weitere Aufführungen 22. und 28. Februar sowie am 8., 13., 16., 19. und 28. März.
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