Die „Todsünde“ eines Polizisten
Beamter kommt mit etwas geringerer Strafe davon und geht in Revision
Ingolstadt Wenn ein Polizeibeamter der „Russen-Mafia“ verrät, dass eine Überwachungsaktion gegen sie läuft, ist das eine „Todsünde“. So deutlich ging Vorsitzender Richter Konrad Kliegl gestern auf das schwere Dienstvergehen eines Beamten ein, dem nun die endgültige Suspendierung vom Dienst droht.
Wie mehrfach ausführlich berichtet, wurde der Mann im Sommer 2007 festgenommen und vier Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Seine Kollegen waren darauf gekommen, dass er mit Mitgliedern einer „Russen-Mafia“ Geschäfte macht. Der Vorwurf der Bandenhehlerei mit mutmaßlich gestohlenen Alufelgen und Kompletträdern ließ sich zwar nicht halten, es erfolgte allerdings eine Verurteilung wegen Hehlerei und Geheimnisverrat. Denn wie sich herausstellte, hatte der Mann seinen „Geschäftspartnern“ verraten, dass sie observiert wurden. Der Verdacht hatte sich ergeben, weil die Kripo ein Zivilfahrzeug mit einer Überwachungskamera eingesetzt hatte, das den Verdächtigen schon deshalb auffallen musste, weil es einsam auf einem Feldweg im Umfeld einer Werkstatt abgestellt war. Der Polizist rief die Fahrzeugdaten im Dienstcomputer ab. Als sie gesperrt waren, zählte er Eins und Eins zusammen und rief einen der Verdächtigen an, um ihn darauf hinzuweisen, dass „etwas nicht stimmt“. Zu dem Zeitpunkt wurde sein Telefon bereits abgehört und die Falle schnappte zu.
Vor dem Amtsgericht bekam der inzwischen vorläufig suspendierte Beamte mehr als ein Jahr aufgebrummt, was seine automatische Entfernung aus dem Dienst zur Folge hätte, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Also strebte er die Berufung an, und bekam auch da eine saftige Strafe von 14 Monaten auf Bewährung plus 5000 Euro Geldbuße. Allerdings hatte dieses Verfahren einen „Fehler“: Der zuständige Richter Georg Sitka ließ die Akten wegen angeblicher Arbeitsüberlastung nämlich 21 Monate auf seinem Schreibtisch liegen. Das wiederum verhalf dem 49-Jährigen zu einer Revision. Denn das Oberlandesgericht sah in der langen Verfahrensdauer eine rechtsstaatswidrige Verzögerung, die im Berufungsurteil zumindest hätte gewürdigt und angesprochen werden müssen.
In der Neuauflage jetzt vor der 4. Strafkammer machte der Beamte enorme psychische Probleme durch das lange Verfahren geltend. Er legte das Attest seines Hausarztes vor, der eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt hat. Der Mediziner sagte gestern vor Gericht aus, doch Landgerichtsarzt Dr. Roman Steinkirchner zerpflückte die Einschätzung seines Kollegen: Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor, wohl aber mehrere Stressfaktoren, die auf das Verfahren und die unsichere Zukunft zurückgeführt werden könnten. „Das ist eigentlich ganz normal“, sagte Richter Kliegl mit Hinweis auf den drohenden Verlust des sicheren Arbeitsplatzes beim Staat.
Anwalt: Eigentlich hat die Kripo den Verrat „provoziert“
Rechtsanwalt Walter Gräf ging in seinem Plädoyer vor allem auf den Geheimnisverrat ein und sprach unter anderem von einer möglicherweise „provozierten Straftat“. Der Mann hätte ja gar nichts verraten können, wenn die Kripo das Zivilfahrzeug nicht vor der Werkstatt des Verdächtigen abgestellt hätte. „Da stellen sich mir die Haare auf! So einen Schmarrn habe ich schon lange nicht mehr gehört“, wetterte Oberstaatsanwalt Christian Veh gegen diese Darstellung. Die Kammer verhängte am Ende 13 Monate auf Bewährung und 5000 Euro Geldbuße – einen Monat weniger also.
Der Angeklagte und sein Verteidiger kündigten sofort nach dem Urteil an, dass sie wohl eine erneute Revision beantragen. Der Beamte kassiert seit seiner vorläufigen Suspendierung im Juli 2007 jeden Monat gekürzte Bezüge in Höhe von 2300 Euro netto. Die kriegt er so lange, bis das Urteil rechtskräftig ist. Und das dürfte noch dauern.
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