Coronavirus in Nördlingen: lokale Betriebe in der Schwebe
Während lokale Betriebe geschlossen bleiben müssen, vertreiben Supermarktketten deren Produkte als Aktionsware. Sie bewegen sich damit in einer rechtlichen Grauzone. Was die Einzelhändler dazu sagen.
Noch ginge es, sagt Thomas Müller. Zwei, vielleicht drei Monate könne er finanziell überbrücken. Wenn er Kurzarbeit anmeldet für seine Mitarbeiter, wenn er auf Rücklagen zurückgreift und auf das Bisschen, was der Onlineshop und die Werkstatt abwerfen. „Danach wird es sehr schwer.“ Müller ist Inhaber eines Nördlinger Fahrradladens, und wie viele Einzelhändler plagen auch ihn derzeit Sorgen darüber, wie es finanziell weitergehen soll, sollten die Verkaufsräume und Kassen weiter leer bleiben. Das Coronavirus – es macht den Einzelhändlern buchstäblich einen dicken Strich durch die Rechnung. Umso ärgerlicher macht Müller ein Prospekt, den er unlängst in seinem Briefkasten gefunden hat.
Auf dem bunten Zettel bewirbt eine große Supermarktkette neben Essiggurken, Bauernbrot und Gute-Laune-Tee auch Kinderfahrräder, Pflanzen und Baumarktartikel. Produkte also, die die gebeutelten Einzelhändler momentan nicht mehr verkaufen dürfen, weil ihnen die Allgemeinverfügung anlässlich der Corona-Pandemie verbietet, ihr Geschäft zu öffnen.
Müller: "Wir kleinen Läden müssen um unser Überleben kämpfen"
Thomas Müller klingt verärgert am Telefon. „Es kann doch nicht sein, dass wir Einzelhändler den Verkauf einstellen müssen, und dann vertreiben die Lebensmittelhändler mit ihrer Ausnahmegenehmigung unsere Ware, und das sogar mit zusätzlichen Öffnungszeiten.“ Natürlich, Müller gehe es zum einen um den finanziellen Schaden, der den Einzelhändlern dadurch entstehe.
„Wir kleinen Läden müssen um unser Überleben kämpfen, und die großen werden in dieser schweren Situation noch gestärkt.“ Ein wichtiger Punkt sei jedoch auch, dass durch den Verkauf solcher Aktionsartikel die Kundenfrequenz in den Supermärkten „gewollt und zusätzlich“ erhöht werde. „Das ist völlig kontraproduktiv und widerspricht dem ganzen Ansatz der Ausgangsbeschränkung“, sagt Müller weiter.
Supermärkte bewegen sich in rechtlicher Grauzone
Dies sieht auch Natalie Enßlin so. Sie arbeitet in einem Nördlinger Blumenladen und auch sie sagt: „Das Vorgehen der Supermärkte schadet uns enorm.“ Und weiter: „Unsere Pflanzen sind verderblich, wir müssen Löhne zahlen und Ausgaben decken, auch wenn keine Kunden kommen.“ Unterdessen würden viele Supermärkte weiter Schnittblumen und andere Gartenprodukte vertreiben.
Die Lebensmittelgroßhändler bewegen sich mit diesem Vorgehen in einer rechtlichen Grauzone. Denn Mischbetriebe des Handels, also Supermärkte und Selbstbedienungs-Warenhäuser, werden nach dem Schwerpunktprinzip beurteilt, teilt die Industrie- und Handelskammer (IHK) mit. Das heißt, dass diese Betriebe insgesamt öffnen können, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, in diesem Fall der Verkauf von Lebensmitteln, im erlaubten Bereich liegt. Rein rechtlich ist der Verkauf von Aktionsware also zulässig. Bei den Nördlinger Einzelhändlern stößt diese Regelung jedoch auf großes Unverständnis.
Corona-Maßnahmen werden weiter verlängert
Auch der Hauptgeschäftsführer der IHK, Doktor Marc Lucassen, erkennt Wettbewerbsnachteile für Händler, die derzeit nicht öffnen dürfen. Er erklärt auf Nachfrage unserer Redaktion: „Wir möchten an die großen Handelsunternehmen appellieren, gerade mit Aktionsware zurückhaltend zu sein. In der derzeitigen Ausnahmesituation gibt es einen unausgewogenen Wettbewerb, den einzelne Unternehmen nicht ausnutzen sollten.“
Erst am Montagmittag hatte Ministerpräsident Markus Söder in einer Pressekonferenz mit ernster Miene verkündet, dass die Corona-Maßnahmen in Bayern bis zum 19. April verlängert werden. Für die Einzelhändler, in Nördlingen und anderswo, bedeutet dieser Schritt auch eine Verlängerung ihrer Sorgen und der Ungewissheit darüber, wie es nun weitergehen soll.
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