Rieser Einzelhändler fürchten Verödung der Innenstadt durch Corona
Wie ging es den Einzelhändlern im Lockdown? Nicht besonders gut, wie eine Studie zeigt. Doch in einem Punkt unterscheidet sich die Region vom Bundesdurchschnitt.
Drei Viertel der Einzelhändler im Ries und in Ostwürttemberg fürchten, dass als Folge der Pandemie in den nächsten fünf Jahren die Innenstädte veröden, weil Geschäfte in der Stadt schließen. Das hat eine Studie gezeigt. Welche Auswirkungen die Pandemie schon jetzt hat.
Für 16 Prozent ist oder war die Krise laut der Studie existenzbedrohend. Dennoch blicken neun von zehn Einzelhändlern zuversichtlich in die Zukunft und gewinnen der Situation auch positive Seiten ab, weil sie beispielsweise mehr Zeit für die Familie haben. Dies geht aus einer Unternehmerkunden-Studie im Auftrag der Commerzbank hervor. Für diese wurden bundesweit 3500 Einzelhandelsunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos befragt, davon 50 in der Region Ost-Württemberg, zu der bei der Commerzbank auch das Ries zählt.
Lockdown ist große Herausforderung für Einzelhändler
Die Studie hat der Nördlinger Wolfgang Hahn vorgestellt, im Ries und in Ostwürttemberg verantwortlich für das Geschäft mit Unternehmerkunden in der Region. Er berichtet: „Der wiederholte Lockdown und der damit verbundene Kundenverlust haben drei von fünf Einzelhändlern in Ost-Württemberg vor große Probleme gestellt.“ Die Befragung fand von Ende Juni bis Ende August statt, also nach einem Lockdown. Bei der Commerzbank geht man daher davon aus, dass die Betroffenen daher besser vorbereitet in die Zeit der erneuten Einschränkungen gegangen sind.
41 Prozent der Einzelhändler in der Region (bundesweit 47 Prozent) berichten von starken Umsatzeinbrüchen durch die Krise, 37 Prozent in der Region und bundesweit haben keine Einbußen erlitten, konnten ihren Umsatz halten oder sogar steigern. Damit, so Hahn, haben sie die Krise nahezu genauso souverän gemeistert wie der Bundesdurchschnitt. Fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) musste auf Eigenkapital zurückgreifen, um Umsatzeinbußen auszugleichen. Ein Drittel nahm staatliche Hilfen in Anspruch, etwa jeder Zehnte Kreditstundungen oder einen Bankkredit.
Weniger Kunden als in der Zeit vor der Schließung für die Händler
Hahn: „Wir haben alles getan, um unsere Kunden in der Krise schnell und unbürokratisch zu unterstützen und zu den verschiedenen Förderprogrammen zu beraten.“ 37 Prozent der Ost-Württemberger Einzelhändler nutzten außerdem Kurzarbeit, um die Krise zu überbrücken. Bei mehr als jedem zweiten Unternehmen (53 Prozent) waren keine Personalmaßnahmen notwendig.
Ebenfalls für mehr als jeden zweiten Einzelhändler (55 Prozent) waren die langen Schließungszeiten nach ihrer eigenen Einschätzung eine große Herausforderung, deutlich mehr als bundesweit (40 Prozent). 53 Prozent (bundesweit 46 Prozent) sagen, nach der erneuten Öffnung der Läden sei die Kundenfrequenz rückläufig gewesen.
Die Corona-Krise hat laut den befragten Unternehmen das Einkaufs- und Konsumverhalten ihrer Kunden verändert. Dabei zeigen sich zwei gegenläufige Trends: Hahn: „Einerseits hat Corona im Einzelhandel einen spürbaren Digitalisierungsschub ausgelöst, wie wir ihn auch als Commerzbank bei unseren Kunden feststellen.“ So berichtet ein Drittel der Einzelhändler in Ostwürttemberg, dass Kunden nun vermehrt online einkaufen.
Kunden wollen laut Studie sowohl digitale als auch persönliche Kanäle
Hahn fährt fort: „Auf der anderen Seite sehen wir aber auch einen Nachholbedarf beim Konsum vor Ort. Denn ebenfalls fast jeder dritte Einzelhändler bemerkt wieder mehr Bedarf an persönlicher Beratung. Die Studie zeigt daher, dass Kunden beide Kanäle nutzen wollen – digital und persönlich.“
Auf diese Bedürfnisse der Kunden hat der Befragung zufolge der Einzelhandel in Ost-Württemberg mit verschiedenen Maßnahmen reagiert. So setzte jeder Dritte auf Angebote wie Click & Meet oder hat seine Produktpalette verändert, jeder Fünfte führte einen Lieferservice ein. Ebenfalls jedes fünfte Unternehmen investierte in den Auf- oder Ausbau einer Website beziehungsweise App, weitere 16 Prozent in einen Online-Shop.
„In jeder Krise steckt auch eine Chance“, sagt Hahn. „55 Prozent der Einzelhändler in der Region (46 Prozent bundesweit) geben an, dass sie ihre Kreativität und Innovationskraft im Zuge von Corona gesteigert haben.“
Ostwürttemberg: Deutlich mehr Einzelhändler als im Bundesschnitt sind positiv gestimmt
Jeder Zweite sagt, die Solidarität mit zum Beispiel Kunden oder Lieferanten sei größer geworden, 45 Prozent sehen einen gestärkten Teamgeist bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mehr Zusammenhalt im Unternehmen. 43 Prozent zählen zu den positiven Seite der Krise, dass sie mehr Zeit für die Familie haben und 33 Prozent stellen eine Entschleunigung fest. 29 Prozent haben überfällige Entscheidungen getroffen, beispielsweise bei Investitionen oder bei der Anpassung des Geschäftsmodells oder sie haben etwas Neues gewagt.
Zwei von fünf Einzelhändlern erwarten, dass Kundinnen und Kunden künftig vermehrt in großen Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt einkaufen und ebenfalls 41 Prozent glauben, dass sich Geschäfte in Stadtteile mit günstigeren Mieten verlagern werden. Das sind deutlich mehr als auf Bundesebene (31 Prozent). Andererseits erwarten 22 beziehungsweise 19 Prozent mehr Kundenverkehr in der Stadt durch Geschäftsschließungen auf dem Dorf und in Kleinstädten.
Doch Krise hin oder her: 88 Prozent der Einzelhändler in Ostwürttemberg, zeigt die Befragung, sehen die Zukunft ihres Unternehmens positiv oder sehr positiv. Das sind deutlich mehr als im bundesweiten Vergleich (77 Prozent). Nahezu kein Einzelhändler in der Region blickt pessimistisch in die Zukunft.
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