Arbeitsschuh und Statement: "Docs" werden 50
London (dpa) - Erst waren sie schwarz oder rot und zum Arbeiten gedacht. Dann bekamen sie Discoglitter ab, heute gibt es sie sogar mit Blümchen: "Dr. Martens"-Boots sind Trendschuhe seit Generationen. Jetzt werden die "Docs" 50 Jahre alt.
Zeige mir Deine Schuhe, und ich sage Dir, wer Du bist - so einfach ist das bei "Docs" nicht. Denn über die Jahrzehnte konnten die derben Boots mit der Luftpolster-Sohle ein Zeichen sein für Punks und Glamrocker, Grunge- und Britpop-Anbeter, Skinheads und Friedensaktivisten. Manchmal machte nur die Farbe des Schnürsenkels den kleinen Unterschied. Eigentlich waren die Bequemschuhe aus Großbritannien für harte Arbeit designt worden. Wie fast kein anderes Kleidungsstück aber stiegen sie über die Jahre zum Kultgegenstand auf. Was wenigen bekannt ist: Erfunden wurden sie in Bayern.
"Über die letzten 50 Jahre waren Dr. Martens Arbeitskleidung und Schuhe für die Schule, sie wurden von Polizisten und Punks, Skinheads und politischen Aktivisten getragen", sagte Josephine Hickin vom Museum und der Kunstgalerie im englischen Northampton zur Eröffnung einer Ausstellung über den Schuh. "Sie haben gleichzeitig sowohl Moden und Gegenmoden repräsentiert. Es gibt keine andere Schuh-Marke, die so einen starken Beitrag zur britischen Kultur geleistet hat. Ihre Geschichte ist faszinierend."
Und diese Geschichte beginnt in Deutschland. Weil er wegen einer Verletzung nicht mehr in seinen unbequemen Armeestiefeln laufen wollte, entwickelte der Militärarzt Dr. Klaus Maertens um 1945 in Seeshaupt am Starnberger See die Luftpolster-Sohle. Zusammen mit seinem Freund Herbert Funck übte er sich schon früh im Recycling, denn für die Sohlen holten sie sich unter anderem weggeworfenes Gummi von Flugplätzen der Luftwaffe. 1947 stand der Prototyp des späteren Kultschuhs erstmals in München im Geschäft. Damals war das praktische Laufwerk vor allem bei Hausfrauen beliebt.
Nach einigen Jahren tat sich Maertens mit der Schuhfabrikanten- Familie Griggs aus Northampton zusammen. Gefunden hatten sich die Geschäftspartner laut offizieller Historie des Unternehmens über eine Zeitungsanzeige. Den Aufstieg der Marke "Dr. Martens" allerdings hätte sich wohl niemand erträumt, als die Schuhe im April 1960 in England in Großproduktion gingen. Maertens hatte sie vorher nochmal von Grund auf überarbeitet und ihnen ihr heute bekanntes Design gegeben.
Anfangs kauften Postboten, Fabrikarbeiter und Transport- Gewerkschaften die Stiefel zu Tausenden. Skinheads waren die ersten Vertreter einer Subkultur, die die Marke für sich entdeckten. Vom Ende der 1960er Jahre an nahmen sie dann die unterschiedlichsten Jugendbewegungen in ihr Kleidungsrepertoire auf. Farben, Formen, Höhe und Design änderten sich, als charakteristisches Merkmal aber blieb die gelbe Naht, mit der die Schuhe bis heute an die Sohle genäht werden.
Weil die Botschaft, die ein "Doc" am Fuß vermitteln sollte, bald nicht mehr eindeutig war, gingen die Träger ins Detail. "Die Leute entwickelten einen Farb-Code für die Schnürsenkel", heißt es in einer Historie aus der britischen Zeitung "Independent". Weiß zum Beispiel war die Farbe der Rassisten, Rot stand für politisch links orientiert.
Geschäftlich gab es immer wieder Höhen und Tiefen. Um die Jahrtausendwende erreichte die Marke, die zum britischen Unternehmen AirWair International gehört, einen Umsatzzenit von jährlich um die 260 Millionen Pfund (317 Millionen Euro). Bis heute wurden weltweit mehr als 100 Millionen Paare verkauft, von denen es längst auch andere Modelle als die bekannten Boots gibt.
In den vergangenen Jahren gab es einen Einbruch, einzelne Läden mussten schließen. Seit einiger Zeit werden Trendsetter wie Madonnas Tochter Lourdes oder das britische Model Agyness Deyn aber wieder mit "Docs" gesehen. Die Firma selber kann sich den Kultstatus ihrer Treter nach eigenen Angaben auch nicht wirklich erklären. "Es ist einfach passiert", hieß es dort.
Museum (englisch): dpaq.de/hst7w
Seite Dr. Martens (englisch): www.drmartens.com
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