Als Elvis Angelika die Wange streichelte
Wenn die erotisch vibrierende Stimme von Elvis Presley aus dem Jugendzimmer drang, zweifelten nicht wenige Eltern am Geisteszustand ihres Nachwuchses.
Von Ronald Hinzpeter
Bad Nauheim/Bonn. Wenn die erotisch vibrierende Stimme von Elvis Presley aus dem Jugendzimmer drang, zweifelten nicht wenige Eltern am Geisteszustand ihres Nachwuchses und befürchteten den Untergang des Abendlandes. In den 50er Jahren reichten für derlei Ängste bereits ein schneller Rhythmus und ein Sänger mit kreisender Hüfte.
Wenn Peter Beines heute aus dem Zimmer seiner Tochter den "Jailhouse Rock"rumpeln hört, geht ihm das Herz auf, denn das vierjährige Mädchen hat Vaters große Leidenschaft geerbt: Es ist bereits ein riesengroßer Elvis-Fan. Kein Wunder, denn ihr Vater widmet dem größten Pop-Star des 20. Jahrhunderts seine komplette Freizeit. Er ist Vorsitzender der Elvis-Presley-Gesellschaft in Bonn, des größten Fanklubs des King in Deutschland und zweitgrößten weltweit.
Drei Jahrzehnte nach dem Tod des Idols scheint es, als könnte die Erinnerung an ihn niemals verblassen. Der Mythos ist längst ins Unermessliche gewachsen, schon längst halten ihn Fans für einen Gott, der allein mit der Kraft seiner Stimme biblische Wunder wirken kann. In diesen Wochen überschlägt sich die Erinnerungsmaschinerie.
Donnerstag ist für die Fans der Welt-Elvis-Tag: am 16. August 1977 war der Sänger und Schauspieler im Badezimmer seiner Villa Graceland in Memphis tot aufgefunden worden. 30 Jahre später werden zehntausende Menschen zum Grab des Idols pilgern. Peter Beines wird sich von diesem Strom mitspülen lassen und versuchen, vor dem Monument kurz innezuhalten. "Das wird eine Gratwanderung zwischen Trauer und Freude", glaubt er, "andererseits wird es auch extrem werden mit all den Menschen."
In dieser Prozession laufen nicht nur ergraute Nostalgiker mit, denn die Verehrung ist alterslos. In der Elvis-Presley-Gesellschaft mit ihren gut 1500 Mitgliedern zählt der Vorsitzende mit seinen 44 Jahren schon zu den "Alten", die Hälfte sei deutlich jünger, ein Gutteil sogar minderjährig.
Warum Elvis immer noch so viele Menschen fasziniert, hat viele Gründe, zu denen natürlich seine süffige Musik gehört, sein zumindest in jungen Jahren blendendes Aussehen, aber auch seine freundliche Aura. Die ist vor allem in Deutschland präsent, wo er vom 1. Oktober 1958 bis zum 2. März 1960 seinen Wehrdienst leistete. In keinem anderen Land hat er außerhalb seiner Heimat USA mehr Zeit verbracht.
In Friedberg bei Frankfurt ging er tagsüber in die Kaserne, abends fuhr er ins benachbarte Bad Nauheim in die Wohnung. Vor der Tür wartete stets eine Traube von Fans. Elvis gab bereitwillig Autogramme und plauderte mit den Jugendlichen, die an dem Weltstar ihr Schulenglisch ausprobierten, so wie Angelika Springauf. Sie schildert ihn als großzügigen, fröhlichen Menschen: "Er hatte ein sanftes Wesen und war ruhig, ganz anders als seine Musik."Als er ihr einmal zum Trost für eine verhauene Schularbeit über die Wange streichelte, wusch sie die Stelle eine Woche lang nicht.
Die US-Army machte sich in den Zeiten des Kalten Krieges seine Popularität und seine offene Art zunutze als Botschafter des guten Amerika. Ein singender Sympathieträger der Schutzmacht. Der G.I. Presley spendete öffentlich Blut, spielte für Kinder im Heim den Nikolaus und engagierte sich für Opfer der Kinderlähmung.
Allerdings erinnert noch sehr wenig an die Zeit, die Elvis in Deutschland verbrachte. In Bad Nauheim steht seit 1995 eine Marmorstele mit einem Gesicht, das weniger an den King als an den stiftenden Steinmetz erinnert, wie manche Nauheimer unken. Zu diesem Denkmal neben der Villa Grundewald, in der Elvis zeitweise lebte, pilgern täglich hunderte Menschen.
Klaus Ritt sieht sie vorbeiziehen. Er ist Vorsitzender des Elvis Presley Vereins Bad Nauheim/Friedberg und wohnt direkt neben der Villa. Er führt den Strom nicht zuletzt auf die Aktivitäten seiner Organisation zurück, denn sie habe darauf aufmerksam gemacht, wo Elvis in Deutschland gelebt hat. Das war offenbar nicht immer einfach, denn in der Stadt selber scheint das Interesse nicht sehr groß, sich des einstigen Mitbürgers zu rühmen. Selbst den Verein gibt es erst seit gut neun Jahren. Ritt glaubt, dass der Popstar "immer noch als unseriös und als nicht gesellschaftsfähig gilt". Die große Elvis-Ausstellung zum Jubiläum wird eben in Berlin gezeigt und nicht in Bad Nauheim.
Friedberg hat in den Ray Barracks immerhin eine kleine Schau zustande gebracht, also jener Kaserne, in der Soldat Presley seinen Dienst schob. Doch die Ausstellung wird in vier Wochen wieder abgebaut. Ob es je ein festes Museum gibt, das an die Zeit erinnert, als "der größte Entertainer, der je gelebt hat"(Eddie Murphy), in Deutschland war, steht in den Sternen. Dabei wäre die Zeit gekommen. Um es 30 Jahre nach seinem Tod mit Elvis zu sagen: "It¿s Now Or Never" jetzt oder nie.
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