Die Mafia-Fehde begann mit einer Eierschlacht
Duisburg/Rom Entsetzen und Ratlosigkeit ist den Menschen auf der Mülheimer Straße im Duisburger Stadtteil Neudorf ins Gesicht geschrieben. "Wie konnte das bei uns passieren?" ist die Frage, die sich die meisten von ihnen am Mittwoch stellen. Betroffen schauen sie auf die Schar von Polizisten und Journalisten, die sich rund um das ehemalige Klöckner-Gebäude hinter dem Hauptbahnhof versammelt haben. In der Nacht zum Mittwoch waren dort, in unmittelbarer Nähe des italienischen Restaurants "Da Bruno", sechs Italiener erschossen worden.
Sie hatten dort bis kurz nach zwei Uhr morgens den 18. Geburtstag des Lehrlings Tomasso-Francesco gefeiert. Als sie danach wegfahren wollen, schlagen die Täter erbarmungslos zu. Die Wagen der Männer, ein VW Golf und ein Opel-Kastenwagen, werden von Kugeln durchsiebt. Mindestens 20 Einschusslöcher sind später an den Autos zu sehen. Eine Zeugin sieht zwei Männer wegrennen.
Das Massaker von Duisburg schlägt auch in Italien hohe Wellen, denn dort in dem kleinen Städtchen San Luca in der Provinz Reggio Calabria hat vor langen Jahren die "San-Luca-Fehde" begonnen, der jetzt die Männer im Alter von 16 bis 39 Jahren zum Opfer gefallen sind. Alle Toten gehören demnach zum 'Ndrangheta-Clan Pelle-Vottari-Romeo, der mit dem Rivalenclan Strangio-Nirta seit 16 Jahren in Fehde liegt. Nie zuvor haben Clans so grausam zugeschlagen, betonte Vize-Polizeichef De Sena von Reggio Calabria.
Es begann mit einer halb spaßigen Eierschlacht zu Karneval 1991 zwischen jugendlichen Mitgliedern beider Mafia-Familien. Doch schnell gerieten sich auch die Bosse in die Haare und zettelten einen Krieg um die Macht in San Luca und Umgebung an. Der Sieger kann das Gesetz diktieren, Schutzgelder von Händlern einstreichen und vor allem den Drogenhandel befehligen. Die Bilanz des Schreckens: 15 Tote und 16 Verletzte.
Bis Heiligabend 2006 hatte es überraschend sechs Jahre Waffenstillstand gegeben. Schon glaubte die Polizei, die Fehde sei vorbei. Doch am ersten Weihnachtstag ging es erst richtig los, mit der Ermordung einer 33-jährigen Frau und drei Schussverletzten in San Luca, darunter auch einem Kind. Fünf weitere Morde und sechs Mordversuche folgten auf italienischem Gebiet, zuletzt noch am 3. August. Selbst weit entfernte Verwandte der Rivalenclans müssen inzwischen dran glauben, weil die mit Bodygards sehr gut abgesicherten Chefs unantastbar sind.
Das Duisburger Blutbad, so wird in Italien vermutet, sei die direkte Antwort auf das Massaker an Weihnachten in Kalabrien. Der 15. August ist in Italien ein hoher Feiertag, eine Art sommerliches Weihnachten, bei dem man sich sogar gegenseitig einen guten Festverlauf wünscht. In der Nacht dazu schlug also der Rivalenclan in Duisburg zu, nach einem Geburtstagsfest im italienischen Restaurant.
Eines der Opfer in Deutschland, so berichtete Italiens Innenminister Giulio Amato, habe noch vor kurzem einen Rivalen umgebracht und wurde deshalb steckbrieflich gesucht. Der Mann habe sich offenbar bedroht gefühlt und sei auf Waffensuche gewesen. "Jetzt ist er eher von dem, der ihn beseitigen wollte, als von der Justiz erreicht worden", sagte der Minister mit einigem Sarkasmus. Duisburg sei "ein Qualitätssprung", so ein römischer Experte. Das italienische Fernsehen und die Zeitungen berichteten, wie stark sich Kalabriens Mafia inzwischen in Deutschland fühle. Sie habe viel Geld aus dem Kokainhandel investiert, vor allem in Hotels und Restaurants in Ostdeutschland.
Die Duisburger Mordkommission hat Hilfe aus Italien angefordert. Noch am Abend trafen Experten aus Kalabrien am Tatort ein.
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