Goldene Palme bleibt diesmal in Frankreich
Die Goldene Palme bleibt diesmal in ihrer Heimat, denn mit dem Hauptpreis der Internationalen Filmfestspiele von Cannes wurde der französische Film "Entre les murs" von Regisseur Laurent Cantet ausgezeichnet. Wim Wenders ging dagegen leer aus.
Von Michael Vaupel, Cannes
Die Goldene Palme bleibt diesmal in ihrer Heimat. Denn der Hauptpreis der Internationalen Filmfestspiele von Cannes ging an den französischen Film "Entre les murs" von Regisseur Laurent Cantet. Zuletzt gewann das Gastgeberland des weltgrößten Filmfestivals die Goldene Palme im Jahr 1987.
Vielleicht hat es auch mit den Unruhen in den Vorstädten von Paris zu tun, dass dieser Film so stark auf die Jury und das französische Festival-Publikum wirkte. Denn "Entre les murs" gibt zwar keine Antwort auf diese Krawalle, die Wut und Verzweiflung von Immigranten. Aber er beschäftigt sich mit dem Problem an der Wurzel, nämlich in der Schule.
François (François Bérgaudeau, der als Schriftsteller auch den Roman verfasste, auf dem dieser Film beruht) unterrichtet an einer Schule im Problemgebiet von Paris. Seine Teenager-Klasse besteht aus Kindern unterschiedlichster Kulturen. Die Stimmung ist häufig gereizt, doch François gelingt es durch seine einfühlsame Art, seinen Schülern mehr als Wissen, nämlich Grundwerte des Miteinander zu vermitteln.
Obwohl "Entre les murs" wirklich hauptsächlich "Zwischen den Mauern", also im Klassenraum spielt, wird er nie langweilig. So gut lotet Cantet Stimmungen und zwischenmenschliches Verhalten aus, so geschickt wechselt er zwischen Betroffenheit und befreiend amüsanten Szenen. Dass die Jury unter Vorsitz von Sean Penn, ein Hollywoodstar mit politischem Engagement, sich von diesem realistischen Sozialdrama beeindruckt zeigte, verwundert also nicht.
Italien ist der zweite Sieger des Wettbewerbs
Viele weitere Wettbewerbsbeiträge warfen diesmal in Cannes soziale und politische Fragen auf. Den meisten fehlte es aber an einfachem handwerklichen Rüstzeug wie einer stringenten Figurenführung und einem straff gespannten Handlungsfaden. Es spricht für die Jury, zu der auch die deutsche Schauspielerin Alexandra Maria Lara gehörte, dass sie sich einige wirklich gelungene Beiträge für die weiteren Preise herauspickte.
So war Italien mit politischen Themen der zweite große Sieger des Wettbewerbs. Der Große Preis der Jury ging an den italienischen Anti-Mafia-Film "Gomorra" von Matteo Garrone. Der Italiener Paolo Sorrentino nahm für seine kunstvolle Satire "Il Divo" über die Regierungszeit des italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti den Preis der Jury entgegen.
Zwei Väter des sozial engagierten Kinos, die schon vor wenigen Jahren mit "L'Enfant" die Goldpalme geerntet hatten, erhielten diesmal den Drehbuchpreis: Die Rede ist von den belgischen Regie-Brüdern Dardenne, die mit dem Emigranten-Drama "La silence de Lorna" wieder einmal Maßstäbe in diesem Genre setzten. Den Dardennes hätte man durchaus eine weitere Goldpalme gewünscht.
Zu Recht wurde als beste Schauspielerin die Brasilianerin Sandra Corveloni in Walter Salles' und Daniela Thomas' Film "La linha de passe" geehrt. Mit großer Intensität stellt sie darin eine alleinerziehende Mutter im Moloch von São Paulo dar.
Und keine Überraschung war die Auszeichnung für Benicio Del Toro als bester Schauspieler in "Che". Viereinhalb Stunden dauert das Epos von Regisseur Soderbergh über Aufstieg und Fall des Revolutionärs Che Guevara. Schon dafür, dass Del Toro und Soderbergh über viele Jahre für das Projekt gekämpft haben, ist dieser Preis verdient.
Deutschlands Hoffnungsträger Wim Wenders ging mit "The Palermo Shooting" leider leer aus. Schade auch für Hauptdarsteller Campino, der nach seinem Fußbruch sogar mit einem Gips angereist war.
Die Diskussion ist geschlossen.