Gutachten: Neue Rundfunkgebühr als Haushaltsabgabe
Berlin (dpa) - Die Rundfunkgebühr soll grundlegend reformiert werden - weg von einer Gerätegebühr hin zu einer Haushaltsabgabe. Künftig soll jeder Haushalt einen einheitlichen Betrag für ARD und ZDF bezahlen, egal wie viele Fernseher, Radios oder Computer vorhanden sind.
Das ist der Vorschlag des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof, der am Donnerstag ein entsprechendes Gutachten im Auftrag von ARD und ZDF vorgestellt hat. Heute ist die Abgabe von monatlich maximal 17,98 Euro an die Art der Empfangsgeräte gekoppelt.
Mit der Reform sollten ARD und ZDF außerdem auf Werbung und Sponsoring völlig verzichten, forderte Kirchhof. Das würde zur Glaubwürdigkeit der Öffentlichen-Rechtlichen beitragen. Dies ist auch eine Forderung der privaten Rundfunksender ebenso wie zahlreicher Verlage. Über das Gutachten wollen die Ministerpräsidenten der Länder am 9. Juni beraten. Die Umstellung soll Anfang 2013 mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag in Kraft treten. SPD und Union sind sich weitgehend einig und unterstützen eine Haushaltsabgabe.
Die bisherige Abgabe nach Gerätetypen sei durch die technische Entwicklung überholt und biete zu viele Schlupflöcher, sagte der Heidelberger Verfassungsjurist. Die Grenzen zwischen dem klassischen Radio oder Fernseher und neuen mobilen Endgeräten wie Handy, Smartphone oder Computer ließen sich mit dem Vormarsch des Internets nicht mehr aufrechterhalten. Eine Haushaltsabgabe sei auch deswegen gerechtfertigt, weil jeder Mensch mit der Informationsgesellschaft täglich in Berührung komme und damit auch etwa mit den journalistischen Angeboten von ARD und ZDF.
ARD und ZDF erhalten rund 7,3 Milliarden Euro aus den Rundfunkgebühren. Voraussetzung für eine Umstellung der Abgabe sei, dass die Bürger nicht mehr zahlen als bisher, "kein Euro mehr, kein Euro weniger, das ist kein verkapptes Erhöhungsprogramm", betonte der frühere Bundesverfassungsrichter.
Kirchhof will auch die Befreiung von der Rundfunkgebühr völlig neu gestalten. Hartz-IV-Empfänger etwa sollen in Zukunft auch zahlen, bekommen aber den Betrag über das Wohngeld vom Staat ersetzt.
Das bisherige System mit ständigen Hauskontrollen der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) werde ohnehin von immer weniger Menschen akzeptiert, sagte Kirchhof. In Zukunft könnte für die Erfassung der Gebührenzahler eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt reichen. "Das Inquisitorische könnte deutlich reduziert werden." Für Unternehmen, wie etwa Hotels, müsste es gestaffelte Beiträge geben, zum Beispiel nach Anzahl der Mitarbeiter oder der Fahrzeuge mit Autoradio.
Auch ein Verzicht auf Werbung und Sponsoring würde zur Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF beitragen. "In einem dualen System muss sich auch die Rundfunkfinanzierung vom privaten Rundfunk abheben", heißt es in Kirchhofs Gutachten. Ein Programm ohne jegliche Werbeunterbrechung würde ersichtlich machen, warum Gebühren notwendig sind.
"Hierzu gibt es einen Dissens zwischen der ARD und Professor Kirchhof", sagte der Justiziar des Südwestrundfunks (SWR), Hermann Eicher. Die Höhe der künftigen Gebühren könnte erst errechnet werden, wenn die Folgen der Umstellung für alle klar sind.
Die Sender begrüßten die Reformvorschläge. "ARD und ZDF sehen einen Handlungsbedarf, um der Erosion bei den Gebühreneinnahmen entgegenzuwirken", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Der ARD- Vorsitzende Peter Boudgoust sagte: "Mit dem Gutachten wird ein überzeugender, verfassungsrechtlich gangbarer Weg beschrieben." Nun sei der Gesetzgeber gefragt, ein zukunftsfähiges Modell auszuarbeiten. Erst danach könne die ARD die neue Gebührenordnung abschließend beurteilen. ZDF-Intendant Markus Schächter ergänzte, es sei nun Sache der Politik, aus der Expertise ihre Schlüsse zu ziehen.
Die Rundfunkkommission der Länder nannte Kirchhofs Gutachten eine "wertvolle Anregung", wie die federführenden Länder Rheinland- Pfalz und Baden-Württemberg mitteilten. Die Privatsender sehen das Papier als Beginn einer grundlegenden Weichenstellung. Allerdings sei eine in dem Gutachten vorgeschlagene Beschränkung des Werbe- und Sponsoringverbots auf Eigenproduktionen von ARD und ZDF realitätsfremd. Die Annahme, bestimmte Programme seien nur unter den Bedingungen des Sponsorings zu erwerben, sei falsch, erklärte der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), Jürgen Doetz.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erklärte, Kirchhofs Gutachten gebe wichtige Hinweise für ein Werbeverbot. "Das Kirchhof-Gutachten entspricht meinen politischen Vorstellungen", sagte Beck als Vorsitzender der Länder- Rundfunkkommission. Der Weg zu einem neuen Staatsvertrag sei schwierig, "aber es ist politisch möglich".
Seit Jahrzehnten werden die öffentlich-rechtlichen Sender aus Rundfunkgebühren finanziert, die geräteabhängig bezahlt und von der GEZ in Köln eingezogen werden; die GEZ hat rund 1100 Mitarbeiter. Wer also einen Fernseher oder ein Radio besitzt, muss zahlen; als Höchstbetrag schlagen derzeit 17,98 pro Monat für TV-Besitzer zu Buche. Die Gebührenpflicht gilt neuerdings auch für internetfähige Computer und Handys, über die man ebenfalls TV- und Radio-Programme nutzen kann. Diese Einordnung ist aber umstritten und führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.
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