Chaos in England: Hunderttausende ohne Trinkwasser
Nach der schwersten Flutkatastrophe in Großbritannienseit 60 Jahren sind Teile von West- und Zentralengland im Chaosversunken. 350000 Menschen sind weiter ohne Trinkwasser.
London (dpa) - Während sich die Menschen in den Katastrophengebieten von Großbritannien am Dienstag über eine kurze Regenpause freuten, bereiteten sich Anwohner entlang der Themse auf neue Fluten vor.
In den am schwersten betroffenen Gebieten im Südwesten Englands fielen zwar die Pegelstände, aber die Themse werde erst in den kommenden zwei Tagen ihren Höchststand erreichen, teilten die Behörden mit.
Tausende von Sandsäcken wurden nach Windsor und Reading in der Nähe von London transportiert. Das Notfall-Komitee der Regierung (COBRA) beriet über einen Plan für den Fall, dass die Fluten auch die Hauptstadt erreichen. Bis zu 350 000 Menschen waren noch immer ohne Trinkwasser.
Vor den Supermärkten in Gloucestershire bildeten sich am Dienstag früh lange Menschenschlangen, die auf Wasser warteten. Die Lieferungen wurden von der Armee begleitet, um Plünderungen zu verhindern. "Die Menschen sollen ruhig bleiben, es gibt genug Wasser für alle", versicherte Brigadegeneral Jolyon Jackson. Auch in den nächsten Tagen ist bei der Wasserversorgung keine Entspannung absehbar. "Es wird bis zu zwei Wochen dauern, bis sich die Lage normalisiert", sagte ein Sprecher des Versorgers Severn Trent Water. Militärangehörige karrten für mehrere Ortschaften Mobil-Toiletten herbei. "Fünf Toiletten für das ganze Dorf, ein Witz", beschwerten sich einige Anwohner.
In den Katastrophengebieten wollten viele aus Angst vor Plünderern ihre überschwemmten Häuser nicht verlassen. "Es treiben sich Leute herum, die nicht von hier sind und die leeren Häuser begutachten", berichtete ein Anwohner in Cheltenham. "Wir werden mit allen Mitteln gegen Diebe und Plünderer vorgehen", drohte Tim Brain, Polizeichef von Gloucestershire. "Die schlimmste Krise ist hoffentlich vorbei, aber dies ist immer noch ein Notstandsgebiet", sagte Brain weiter. Nach der Regenpause am Dienstag sagten Meteorologen für die kommenden Tage wieder heftigen Niederschlag voraus.
Viele Ortschaften nutzten die trockene Periode für Aufräumarbeiten, und mehrere Straßen wurden wieder freigegeben. Die Universitätsstadt Oxford war nicht so stark betroffen wie befürchtet. Nach Angaben der Behörden seien dort keine weiteren Evakuierungen geplant. Am Vortag waren 1500 Menschen vorsorglich in einem Stadion untergebracht worden, darunter viele ältere Menschen. In Gloucestershire hatte der Fluss Severn nach den sintflutartigen Regenfällen vom vergangenen Wochenende den Pegelstand der bisher verheerendsten Flut von 1947 überschritten. Städte hatten sich in Inseln verwandelt, Menschen waren mit Schlauchbooten unterwegs.
Die britische Regierung verteidigte sich gegen Kritik, schlecht vorbereitet gewesen zu sein. "Es war sehr schwierig, exakt vorauszusehen, wie die Flut die Gegend treffen würde. Das war ein außergewöhnliches Ereignis", sagte ein Sprecher von Premierminister Gordon Brown. Der Hochwasserschutz in Großbritannien gilt als veraltet. Brown hatte eine Überprüfung der Ursachen angekündigt und mehrere Millionen Pfund finanzielle Hilfe zugesagt. Die Versicherer rechneten mit einem Schaden von umgerechnet drei Millionen Euro. Es ist bereits die zweite große Flut, die Großbritannien in diesem Sommer heimsucht.
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