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Gesellschaft
02.02.2016

Wenn alle auf den Dicken herumhacken

Übergewichtige Menschen leiden häufig unter Diskriminierung.
Foto: Weigel/dpa

Es gibt in Deutschland eine Mehrheit, auf der darf man herumhacken: die Übergewichtigen. Über die Dimensionen eines Problems.

Früher war es so: Wenn sich Nicole ein paar Pizzas bestellte, setzte sie sich auf einen Stuhl neben die Tür. Damit sie gleich aufmachen konnte – ohne ins Schnaufen zu kommen. Wenn dann der Pizzabote an der Tür klingelte und Nicole öffnete, rief sie gerne in Richtung Küche: „Holst du schon mal das Besteck.“ Nur war es eben auch so: In der Küche war meist niemand. All die Pizzas, die der Bote brachte, aß Nicole allein. Und wenn es sein musste, auch noch einen Burger hinterher. Früher eben.

Früher ist bei Nicole sieben Jahre her. Zwischen früher und jetzt liegt eine Zäsur, genauer gesagt ein Morgen, an dem Nicole auf ihrem Bett saß mit Herzrasen und Atemnot und dachte, sie müsse sterben. Und zwar „aus Dummheit“. Weil sie zugelassen hatte, dass es so weit gekommen war. Kilo um Kilo. Wie viel Kilo genau? Die Waage konnte ihr Gewicht nicht mehr anzeigen. Nach diesem Morgen, an dem ihr Herz wieder in den normalen Rhythmus fand, Nicole nicht starb, kaufte sie eine zweite, wuchtete sich mit je einem Bein auf eine Waage, zählte die Kilos zusammen: 340. Danach begann sie abzunehmen.

Die ganze Geschichte von Nicole kann man nachlesen. Sie hat ein Buch darüber geschrieben, und zwar „flüssig ironisch“, wie sie sagen würde, aber so flüssig ironisch kann niemand schreiben, dass sich das nicht manchmal auch sehr traurig liest. Wie sie als moppeliges Kind auf Kuren geschickt wurde, wie sie nach einem Sportunfall im Rollstuhl saß, immer mehr aß, dann wieder hungerte, wieder zunahm, noch dicker wurde als zuvor. Ihre Geschichte ist dennoch, das kann man schon sagen, eine Erfolgsstory.

Immer mehr Menschen in Deutschland gelten als übergewichtig

Jetzt nämlich wiegt Nicole Jäger, 33 Jahre alt, etwa 170 Kilo weniger. Nur noch die Hälfte also. Aktueller Stand: 168 Kilo. Ihr Buch „Die Fettlöserin“ ist sofort nach Erscheinen auf der Bestseller-Liste eingestiegen, sie hat auch ein Bühnenprogramm, die ersten Veranstaltungen sind ausverkauft. Im Vorwort zum Buch schreibt sie: „Vermutlich fragst du dich gerade, warum nun ausgerechnet die Fette vom Cover dir erklären will, wie das denn so ist mit dem Abnehmen, dem Übergewicht und dem ganzen Drumherum. Nun ja, auf den Punkt gebracht würde ich sagen: Weil ich es kann.“ Und weil sie sich traut.

Mit dem Dicksein in Deutschland ist es nämlich so: Immer mehr Menschen gelten als übergewichtig, haben also einen Body-Mass-Index von über 25. Wer einen Bauchansatz oder etwas mehr Hüftgold mit sich herumträgt, ist schon dabei. Das betrifft mehr als die Hälfte der Bevölkerung, im Übrigen mehr Männer als Frauen. Auf jeden Sechsten in Deutschland trifft die Bezeichnung „adipös“, also fettleibig, zu. Da liegt dann der Body-Mass-Index bei über 30. Den Prognosen der Weltgesundheitsorganisation nach wird der Anteil der Moppeligen wie der Fettleibigen weiter steigen. Auch wenn es in Deutschland den Berechnungen zufolge bis 2030 nicht so drastisch kommt wie in Irland: Dort sollen nach Schätzungen der Experten dann nur noch Übergewichtige leben.

Die Dickeren sind also in der Mehrheit. Und dennoch ist es so: Von den Dickeren hört man viel weniger als von den Dünneren. Im öffentlichen Diskurs scheinen sie zu verstummen. Von den Dünneren hört man, dass sie vor dem Gang ins Büro schon ihre zehn Kilometer gelaufen sind, dass sie jetzt doch mal Veganes ausprobieren, dass sie alle nicht mehr rauchen, kaum Alkohol konsumieren und zwischendurch Entgiftungssäfte trinken, obwohl man sich fragt, welches Gift in den Körpern denn überhaupt noch drin sein soll. Jedenfalls – die Dünneren protzen. Die Dickeren halten still. Und erdulden, dass über sie geredet, gelästert und gelacht wird.

Wer auf Youtube den Begriff „dick“ eingibt, kann zwischen vielen Clips auswählen, an denen sich die Netzgemeinde erfreut: Er kann einem dicken Kind beim Tanzen zusehen oder einem anderen, wie es sich über Schokolade freut. Ein Knaller offenbar auch, wie die dicke Frau durch die Wasserrutsche rast … Oder der Clip „Bike collaps under German fat man“, der einen Deutschen namens Bertram dabei zeigt, wie sich unter seinem Gewicht sein Fahrrad zusammenfaltet. Stopp, nein, den gibt es gar nicht. Er existiert lediglich in der Albtraumwelt von Bertram Eisenhauer, FAZ-Redakteur, dessen Buch „Weil ich ein Dicker bin“ ebenfalls im Januar erschienen ist. Noch einer also, der sich traut, „Szenen eines Lebensgefühls“ beschreibt, unter anderem mit solchen Sätzen: „Du scheinst auf der falschen Seite des Lebens zu stehen – als wärst du der einzig hässliche Mensch in L.A., die Welthauptstadt der beautiful people.“

Diskriminierung von übergewichtigen Menschen wird gesellschaftlich toleriert

Über jemand lachen ist das eine. Wer auf Spiegel online ein Interview mit Nicole Jäger nachliest und dann in die Kommentare klickt, entdeckt den noch hässlicheren Bruder davon, die Abscheu: „Wer für sechs Menschen Essen beansprucht, der ist widerlich! Menschen haben, im Gegensatz zu Mastvieh, einen freien Willen.“ Über Dicke darf man so etwas sagen. Die Gesellschaft erlaubt es. Sie applaudiert sogar. „Die Diskriminierung und Herabsetzung von dicken Menschen scheint eine der letzten Formen der Herabwürdigung zu sein, die auf eine gesellschaftliche Zustimmung und Anerkennung stößt“, schreibt die Soziologin Eva Barlösius in ihrem Buch „Dick-Sein“. Der dazu gehörige Begriff lautet Fat-Shaming. Gespeist wird es durch die Vorurteile, der dicke Mensch sei auch charakterlich irgendwie formlos. Also willensschwach, disziplinlos, faul. Oder eben krank. Und – auch das zählt zur Assoziationskette – eher ungebildet und arm. Also ein weniger produktives Mitglied der Leistungsgesellschaft. Weshalb Dickere, das zeigen Studien, bei der Bewerbung auch schlechtere Chancen haben als Dünnere. Der Körper als K.-o.-Kriterium.

Man muss sich also nicht wundern, wenn die Dicken stillhalten. Und vermeiden, unangenehm aufzufallen, weil sie sich in ihrem tiefsten Inneren in der Gesellschaft allenfalls geduldet fühlen. So jedenfalls lautet eine Vermutung von Eisenhauer, der auch beschreibt, wie es ist, wenn man zu verstecken versucht, was nicht versteckt werden kann. „Es ist eine paradoxe Situation. Jeder sieht dir an, dass du ein Problem hast, und dennoch mühst du dich, das vermeintliche Geheimnis zu verstecken oder doch zumindest: seine Dimensionen.“

Zu den Dimensionen: Eisenhauer, Jahrgang 64, wiegt aktuell 173,4 Kilo. Sein BMI entspricht also annähernd dem des tierischen Hauptdarstellers im Kinofilm „Free Willy – Ruf der Freiheit“. Das sind seine eigenen Worte. Nicole Jäger kann das auch, sich auf die Schippe nehmen. Den Witz machen, bevor ihn vielleicht ein anderer macht. „Die Leute sehen mich an wie ein großes Insekt, sie sehen eine große fette blonde Frau“, sagt Nicole Jäger. Und seien dann ganz erstaunt, wenn sie merken: „Oh, der Pudding kann ja sprechen.“ Wer beide Bücher liest, hat anschließend einen ziemlich guten Eindruck davon, wie es sich so anfühlt, wenn man sich als dicker Mensch durchschlägt. Dass man zum Beispiel im Fahrstuhl automatisch die Plakette liest, auf der steht, wie viel Gewicht er transportieren darf. Oder, dass man bei den Hotelbetten den Lattenrost auf Belastbarkeit prüft.

Dass man an Drehkreuzen scheitert. „Die Gesellschaft ist nicht auf dicke Menschen ausgelegt“, sagt Nicole Jäger, das sei auch in Ordnung so. Aber irgendwo müsse es Grenzen geben. Was ihr zum Beispiel nicht in den Kopf will, warum viele Restaurants und Eisdielen ihren Gästen keine ordentlichen Sitzgelegenheiten bieten, sondern im schlimmsten Fall wackeliges Plastik: „Da wird doch Essen verkauft.“ Was in beiden Büchern fehlt: Gejammere. „Was das Dramatische an dem Übergewicht ist, dass man sich selber so ruiniert“, schreibt Eisenhauer, und bei Jäger liest sich das so: „Auf den Punkt gebracht muss ich sagen, dass ich schlicht den Moment versäumte, an dem ich endlich Verantwortung für mein Leben hätte übernehmen sollen.“ Was beide wissen: Der Kampf mit den Pfunden wird das Lebensthema bleiben.

Ein schwerer Weg zum Ziel 

In Nicole Jägers Fall aber ist aus dem Lebensthema auch der Lebensunterhalt geworden. Sie ist mittlerweile Ernährungs-Coach mit eigener Praxis. Über Diäten muss ihr keiner mehr etwas erzählen. Die meisten hat sie ausprobiert. Ihren Abnehm-Erfolg schaffte sie ohne und auch ohne Operation – auch wenn ihr die Ärzte dringend dazu rieten: „Aber ich hatte ja kein Magenproblem.“ Es mag sein, dass es banal klingt, was Nicole Jäger übers Abnehmen erzählt. Es ist deswegen nicht weniger wahr. Dass Abnehmen im Kopf beginne, dass man darüber nachdenken müsse, welche emotionale Lücke man mit all dem Essen stopfe, dass man den Unterschied zwischen Hunger und Appetit wieder erkennen lernen müsse, dass man sich bewegen und vor allem eines tun solle: essen, aber eben gesund. Klingt einfach?

Dann noch ein Zitat: „Abnehmen ist einfach scheiße“, sagt Nicole Jäger, und das schönste am Sport sei der Moment, wenn er vorbei sei. Nein, also nicht einfach. Mühsam. Der harte Weg, aber einer, der zu mehr Zufriedenheit, Lebensqualität und mehr Teilhabe führe. In ihre Praxis kommen Menschen, die fühlten sich seit Jahren minderwertig aufgrund ihres Gewichts. Für die ist der Termin bei Nicole Jäger oft der einzige Anlass in der Woche, die Wohnung zu verlassen. Was sie denen nicht erzählen muss: Dass ein Apfel weniger Kalorien hat als eine Tafel Schokolade. Dick bedeutet ja nicht doof. Aber was für viele Dünne vielleicht nur schwer zu verstehen ist, welch „verführerisches Monster“, so Eisenhauer, das Essen sein kann. Welch fürchterlicher Freund.

Was sich Nicole Jäger wünscht: Mehr Offenheit in der Gesellschaft, mehr Respekt auch sich selbst gegenüber und mehr „Ist-mir-doch-scheißegal-wie-du-aussiehst“. Was Bertram Eisenhauer befürchtet: „Die Zahl der Dicken und Superdicken wird weiter steigen, aber der gesellschaftliche Druck zum Dünn-Sein wird sich immer weiter verschärfen.“ Nicole Jäger trägt im Übrigen gerne Beerentöne. Tiefes Rot zum Beispiel. Sie traut sich, auch so einen Satz zu sagen: Dass sie sich fast so fühle wie eine Elfe. „Oder zumindest wie zwei Elfen.“ So also ist das jetzt.

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Die Diskussion ist geschlossen.

02.02.2016

Mir geht es einfach nicht in den Kopf, wie man soviel fressen kann, das man auf solch Übergewicht kommt. Überall wird übers Abnehmen geschrieben und gesprochen, viel einfacher ist es nicht zuzunehmen. Da muß man beginnen und nicht erst, wenn die Schwarte platzt.

02.02.2016

Durch unser "kulturloses Essverhalten" nehmen viele die Dimensionen unserer "Ameriganische Freunde" (frei nach Ludwig Erhard) an.

02.02.2016

Naja, so banal wie »vom Ami abgeschaut« ist es dann auch nicht. Und wer da von »früher« bzw. »später« sprechen möchte, sollte sich auch vor Augen halten, dass es in DE wohl zu keiner Zeit so einfach war, da zu landen, wo alle mit dem Finger hin zeigen. Wir arbeiten halt nicht mehr 10 h am Tag auf dem Feld oder der Baustelle und haben uns dann am Abend das ausladende Abendessen (was dank gewisser Nahrungsmittel oft viel kleiner aussieht, als es ist) verdient. Sehen wir den Tatsachen doch mal ins Auge: Die Dienstleistungsgesellschaft hat auch den Effekt, dass mehr Leute hinterm Schreibtisch sitzen und rein vom Kalorienverbrauch in Kombination mit den genossenen Lebensmitteln jeden Abend mit halb leerem Magen ins Bett gehen müsste. Macht verständlicherweise keiner. Also muss man andere Wege gehen. (Und ich meine hier nicht wandern.) Bewusster essen und im Zweifelsfalle mal nachsehen, was da wirklich drauf steht. Aber ich kenne das Problem ja selbst: Wenns doch nun mal so lecker ist...