Balance statt Burn-out – wie arbeiten junge Menschen?
Work-Life-Balance: ein Phänomen der modernen Zeit. Vier junge Wittelsbacher erzählen, wie sie zu Überstunden stehen, Schichtdienst – und ihrer Freizeit.
Arbeiten bis zum Umfallen? Für viele junge Menschen ist das keine Option. Sind sie deswegen faul? Der Arbeitsmarkt ist im Wandel und die Nachfolger fordern immer mehr Flexibilität. Arbeit gegen Freizeit: Vier junge Auszubildende aus dem Wittelsbacher Land reden darüber, was ihnen wichtiger ist und warum.
Alexander Bienert, 24, Auszubildender bei Segmüller
Für mich heißt Work-Life-Balance, Arbeit und Freizeit in Einklang zu bringen. In meiner Generation wächst man, glaube ich, einfach mit dem Bewusstsein auf, dass die Karriere nicht das Wichtigste ist. Bei meinen Eltern war das noch anders. Mein Vater zum Beispiel arbeitet viel länger als ich, ich glaube aber, ihn stört das gar nicht. Aus meinem Umfeld spüre ich keinen Druck, mehr oder besonders viel arbeiten zu müssen.
Was ich auf keinen Fall möchte, ist, keine Zeit mehr für meine Freunde zu haben. Wenn man zu viel arbeitet, dann ist man irgendwann alleine, und wer will das schon. Jetzt in der Ausbildung bin ich in einer guten Work-Life-Balance. Ich arbeite 37,5 Stunden die Woche, damit bin ich zufrieden.
Wenn ich Überstunden mache, werden die durch freie Tage kompensiert. Noch besser könnte es durch ein paar Homeoffice-Tage werden. Das wäre schon gut. Flexible Arbeitszeiten sind auch wichtig. Wenn ich die Wahl habe, fang' ich lieber früher an und bin dann früher fertig. Außerdem will ich nicht weit pendeln, das stiehlt sonst zu viel Zeit.
Larissa Hanner, 22, Auszubildende beim Bayerischen Roten Kreuz
Work-Life-Balance ist mir schon wichtig. Allerdings kommt die Freizeit als Notfallsanitäterin mit Schichtarbeit manchmal zu kurz. Oft muss man Überstunden machen, deshalb muss ich das Fußballtraining ab und zu hinten anstellen. Trotzdem achte ich auf eine gute Balance zur Arbeit und versuche, genug Zeit für meine Freunde und Freizeitaktivitäten zu haben.
Ich glaube, dass es in unserer Generation immer weniger Menschen gibt, die sich für ihren Job aufopfern und kaputt machen. Wir sind viel schneller bereit, den Betrieb zu wechseln, wenn wir merken, dass uns etwas nicht guttut.
Als Notfallsanitäterin strebe ich da erst mal keine Karriere an und mache meine Ausbildung einfach, weil sie mir Spaß macht. Ich bin mir aber auch bewusst darüber, dass das ein körperlich und psychisch anstrengender Beruf ist. Deshalb kann ich mir auch vorstellen, danach noch Medizintechnik oder Pädagogik zu studieren und mir dadurch ein zweites Standbein aufzubauen. Aber jetzt mache ich erst mal die Ausbildung fertig.
Jonas Kelleter, 20, Auszubildender bei der Pflegeschule Mering
Work-Life-Balance bedeutet für mich, das Gleichgewicht zwischen den Anforderungen im Beruf und in der Freizeit zu finden. Ich bin zurzeit von Montag bis Freitag von 8 bis 15.15 Uhr in der Schule, aber gebe danach manchmal noch Nachhilfe für Jüngere. An Wochenenden nehme ich auch öfter an pädagogischen Lesungen teil, um mich weiterzubilden.
Allgemein fällt es mir schwer, nach der Arbeit abzuschalten, weil die Eindrücke, die man bekommt, einen oft bis nach Hause begleiten. Zusätzlich stellt die moderne Welt viele Anforderungen an einen, wodurch Arbeitsleben und Privates verschwimmen. Trotzdem liegt mein Fokus eher auf der Balance zur Freizeit, auch wenn ich oft meine private Zeit nutze, um meine persönlichen Kompetenzen für den Beruf zu fördern.
Ich habe mich damals für meine Ausbildung in der Pflegeschule Mering entschieden, weil ich den Kontakt mit Menschen liebe und den Gedanken, Kinder voranbringen zu können, toll finde. Meine Zukunft will ich erst mal auf mich zukommen lassen und setze mir als Ziel einfach, jeden Tag ein bisschen besser zu werden.
Larissa Wittmann, 35, selbstständige Hebamme in Aichach
Ich habe meinen Beruf ergriffen, weil es eine sinnhafte Arbeit ist. Hier kann ich Familien von Anfang an bei ihrer Familiengründung begleiten und unterstützen. Man bekommt so viel Dankbarkeit und Wertschätzung zurück.
Für viele Frauen ist der Beruf noch zusätzliche Arbeit, die zu dem Muttersein und der Hausarbeit nochmal extra dazukommt. Ich habe drei Kinder und ohne familiäre Unterstützung würde ich das nicht schaffen. Bei jeder neuen Frau, die zu einem kommt, muss man für die nächsten neun Monate planen, obwohl man selbst noch gar nicht weiß, wie ausgelastet man in einem halben Jahr sein wird.
Aktuell habe ich das Gefühl diesen Spagat aus Arbeit, Freizeit und Familie gut hinzubekommen. Aber ich denke, man muss diese Gewichtung regelmäßig überdenken. Gerade kann ich weniger arbeiten, um mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Wenn die älter und selbstständiger sind, dann möchte ich wieder Vollzeit arbeiten.
Man merkt auch, dass Work-Life-Balance ein immer wichtigeres Thema wird, auch für uns Hebammen werden Fortbildungen darüber angeboten. Allerdings macht mir das auch Sorgen. Wir haben jetzt schon einen großen Hebammenmangel und ich befürchte, dass immer weniger junge Leute dazu bereit sein werden, sich der körperlichen und auch zeitlichen Belastung auszusetzen. Dabei ist es ein wirklich erfüllender Beruf, der mir sehr viel Spaß macht.
Die Diskussion ist geschlossen.