Barack Obama rechnet in seiner letzten Rede mit Donald Trump ab
US-Präsident Barack Obama versprüht bei seiner letzten Rede an die Nation Optimismus. Dazu rechnet er mit seinem möglichen Nachfolger Donald Trump ab.
Barack Obama hat den Kreis geschlossen, er ist wieder am Ausgangspunkt. Er blendet zurück auf die Aufbruchstimmung des Jahres 2008, als er ins Weiße Haus gewählt wurde, weil er – glaubwürdig als unbelasteter Newcomer – den Brückenbau über politische Schluchten versprach. Seine letzte Rede zur Lage der Nation hat er jetzt genutzt, um dort anzuknüpfen und Bilanz zu ziehen. Und die fällt stellenweise so schonungslos aus, dass manche Kommentatoren am Tag darauf in bewusster Zuspitzung von der Eloge einer Kassandra schreiben. Barack Obama, der ergraute, ernüchterte, um etliche Erfahrungen reichere Mahner.
Wenn er etwas bedauere, sagt er, dann die Tatsache, dass Demokraten und Republikaner im Kongress einander mit noch mehr Bitterkeit, noch mehr Misstrauen begegnen, als es zu Beginn seiner Amtszeit der Fall war. Ein Präsident mit der Begabung eines Lincoln oder Roosevelt, fügt er in untypischer Demut hinzu, hätte den Graben sicher besser überbrückt – „und ich garantiere, dass ich versuche, es besser zu machen, solange ich dieses Amt innehabe“.
Die Demokratie könne nur funktionieren, wenn man bereit sei, an Kompromissen zu arbeiten und dem politischen Gegner nicht andauernd böse Absichten oder mangelnden Patriotismus zu unterstellen. Demokratie könne nur funktionieren, „wenn wir nicht nur jenen zuhören, mit denen wir einer Meinung sind“.
US-Präsident Barack Obama liefert sich ein Fernduell mit Donald Trump
Kein Zweifel, Obama hat eine Wahlkampfrede gehalten, auch wenn sein Name auf keiner Bewerberliste mehr steht. Er lieferte sich ein Fernduell mit republikanischen Populisten wie Donald Trump oder Ted Cruz, die von einer Stimmung profitieren, in der sich die Angst vor dem Terror mit der Angst vor dem Unbekannten, dem Fremden, vor dem eigenen sozialen Abstieg mischt. Der Präsident beruhigt, er mahnt zur Gelassenheit, er ruft der Einwanderernation USA ins Gedächtnis, wo ihre eigentlichen Stärken liegen. Im Blick nach vorn. Und in der Vielfalt.
„Werden wir dem Wandel unserer Zeit mit Furcht begegnen, uns nach innen wenden und aufeinander losgehen?“, fragt er. „Oder stellen wir uns der Zukunft mit Vertrauen in das, wofür wir stehen und was wir gemeinsam an unglaublichen Dingen bewerkstelligen können?“ Wie schon so oft zuvor erinnert er an die Art, wie das Land auf den Sputnik-Schock der späten 1950er Jahre reagierte – mit einer Wissenschaftsoffensive, einem Innovationsschub, schließlich der Mondlandung. Barack Obama, der Motivationstrainer. Der aufgeklärte Optimist.
Gegen eine Politik, die Menschen allein wegen ihrer Rasse oder Religion ins Visier nehme, müsse man sich zur Wehr setzen, betont er – ohne Trump, der Muslimen pauschal die Einreise verbieten möchte, beim Namen zu nennen. „Wenn Politiker Muslime beleidigen, wenn eine Moschee verwüstet oder ein Kind schikaniert wird, dann macht uns das nicht sicherer. Es setzt uns in den Augen der Welt herab. Es macht es schwerer, unsere Ziele zu erreichen. Es begeht Verrat an dem, was uns ausmacht.“
Obama lässt die Flüchtlingskrise in der Rede zur Lage der Nation außen vor
Im Übrigen, das Gerede vom Niedergang Amerikas sei nichts als heiße Luft. „Die Vereinigten Staaten sind das stärkste Land der Erde. Punkt. Es ist nicht einmal knapp. Wenn jemand nach Führung sucht, geht er nicht nach Moskau oder Peking. Er wendet sich an uns.“ Und wer im Ringen mit dem „Islamischen Staat“ einen Dritten Weltkrieg sehe, der habe jedes Maß verloren, sagt Obama. Gewiss, der IS-Terror bedeute eine akute Gefahr für Zivilisten und müsse gestoppt werden. „Aber er bedroht uns nicht in unserer nationalen Existenz.“
Es ist rhetorischer Balsam, gewiss. Andererseits kann es einen Europäer nur verwundern, wie beiläufig der Staatschef der Supermacht streift, was zwischen Athen, Berlin und Stockholm die Gemüter bewegt.
Flüchtlinge? Diesem Thema widmet er sich nur ganz am Rande, in überaus vagen Sätzen. Seiner Verantwortung in der Flüchtlingskrise hat sich Washington bislang de facto entzogen. Es nimmt so wenige Asylbewerber aus der nahöstlichen Bürgerkriegsregion auf, dass linke Demokraten ungeschminkt von einer Blamage reden.
Statt angesichts dieser Realität neue Verpflichtungen einzugehen oder zumindest zu erklären, was ihn daran hindert, klammert Obama den Punkt völlig aus. Er übergeht ihn mit Schweigen. Als wären es die Probleme der anderen.
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