Belastungsprobe für die Koalition
Am Mittwoch bestimmt die Bundesversammlung Horst Köhlers Nachfolger. Die Entscheidung zwischen Christian Wulff und Joachim Gauck ist auch eine Belastungsprobe für die Koalition.
Die Bundesversammlung wählt am Mittwoch einen neuen Bundespräsidenten.
Für Union und Liberale tritt der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff an, SPD und Grüne haben den früheren DDR-Bürgerrechtler und ehemaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, nominiert. Für die Linke tritt deren Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen an, auch die NPD hat einen Kandidaten aufgestellt.
Die Entscheidung über die Nachfolge des vor einem Monat überraschend zurückgetretenen bisherigen Staatsoberhaupts Horst Köhler gilt als Belastungsprobe für die Berliner Regierungskoalition. Mehrere Abgeordnete aus dem Lager von Union und Liberalen haben angekündigt, für den rot-grünen Kandidaten Gauck stimmen zu wollen. In Berlin wird die Entscheidung als ähnlich spannend eingeschätzt wie die Wahlen von 1969, als Gustav Heinemann, und 1994, als Roman Herzog erst nach dem dritten Wahlgang als Präsidenten feststanden.
Der rot-grüne Kandidat Gauck hat nur eine Chance, wenn dem Favoriten Wulff in den ersten beiden Wahlgängen zahlreiche Delegierte von Union und FDP die Gefolgschaft verweigern: Von den 1244 Wahlleuten entfallen auf Schwarz-Gelb 644 Sitze - 21 mehr als die absolute Mehrheit von 623 Stimmen.
Gauck bräuchte im dritten Wahlgang zahlreiche Stimmen der Linkspartei. Gestern warb er in der Bundestagsfraktion der Linken um Zustimmung: Nach dem Besuch lobten sowohl Gauck als auch Fraktionschef Gregor Gysi die Gesprächsatmosphäre. "Wenn es wirklich einen dritten Wahlgang geben sollte, dann brauchen wir - das ist hiermit versprochen - eine längere Pause", sagte Gysi. Er werde dann eine Empfehlung aussprechen. Gysi korrigierte sein Urteil über Gauck nach der Unterredung von zuvor "nicht wählbar" in nun "eigentlich nicht wirklich wählbar".
Ministerpräsident Wulff betonte, er gehe mit großer Zuversicht in die Wahl: "Man hofft, dass dann bereits im ersten Wahlgang das Ergebnis da sein wird und dass man dann loslegen kann." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder rechnet damit, dass Wulff es schon im ersten Wahlgang schafft. "Aber wenn es im zweiten gelingt, ist es auch okay", fügte er hinzu. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, er gehe davon aus, dass nur vier Liberale für Gauck stimmten.
Der erste Wahlgang beginnt am Mittwoch um 12.15 Uhr und soll gut zwei Stunden dauern.
In der Mittwochsausgabe unserer Zeitung erfahren Sie, welche Wahlleute aus der Region dabei sind und für wen sie ihre Stimme abgeben werden. AZ, ddp
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