Luftnummer an der Weser
Bei der Bremer Bürgerschaftswahl droht der CDU am Sonntag ein Desaster. Rot-Grün dagegen wird wohl weiter zulegen.
Nanu, eine Glaskugel auf dem Schreibtisch des amtierenden Bürgermeisters? Das ist ein Geschenk aus einer chinesischen Partnerstadt, sagt Kugel- und Amtsinhaber Jens Böhrnsen von der SPD. Die nächste Frage kennt er schon: „Blicken Sie damit in die Zukunft?“ „Nein, ich schaue da nicht rein.“ Aber weil am Sonntag Bürgerschaftswahl ist, lässt er sich doch eine Prognose entlocken: „ Ich sehe eine gute Zukunft.“
Damit kann er nur seine seit 2007 regierende rot-grüne Koalition gemeint haben. Sie kann ihre Mehrheit wohl noch weiter ausbauen – weil die Grünen nach jüngsten Umfragen von 16,5 auf 24 Prozent hochschnellen dürften. Die SPD, die mit 36 bis 37 Prozent etwa stabil bliebe, ist dementsprechend siegesgewiss und lässt seit einigen Wochen bei Böhrnsens Auftritten gerne „Freude, schöner Götterfunken“ erklingen. Oder gleich „Karneval in Rio“. Für Böhrnsens Widersacherin Rita Mohr-Lüllmann hat die CDU dagegen eine Filmmusik ausgewählt: „Fluch der Karibik“ – so, als läge über ihrem Wahlkampf ein Fluch. Das war zu Beginn des Wahlkampfes anders.
Amtsinhaber Böhrnsen tat sich zunächst ausgesprochen schwer, in die übergroßen Fußstapfen seines Vorgängers Henning Scherf zu treten. Im langen Schatten des Zwei-Meter-Riesen wirkte der 61-Jährige anfangs blass. Aber nach und nach eroberte der Bürgermeister die Sympathien vor allem der kleineren Leute. Die SPD steht voll hinter ihm – beinahe so, als hieße sie Sozialdemokratische Partei Böhrnsens (SPB). Im Senat herrscht überwiegend Harmonie.
Die CDU hat Böhrnsens Team nichts entgegenzusetzen
Nach zwölf Jahren eher wirtschaftsorientierter Großer Koalition hat Rot-Grün die Schwerpunkte nun mehr in Richtung soziale Gerechtigkeit verrückt. Aber: Bremens Schuldenberg wuchs weiter im Rekordtempo. Die CDU hat Böhrnsens Team nichts Wirksames entgegenzusetzen. Ja, sie droht sogar erstmals bei einer deutschen Landtagswahl hinter den Grünen zu landen. Derzeit wird sie auf höchstens 20 Prozent taxiert – und das liegt nicht nur an Fukushima und einer neuen Konkurrenz durch die bürgerlichen Wählergemeinschaften. Es liegt vor allem am Zustand der Landes-CDU: Sie ist zerstritten und bietet älteren Konservativen kaum noch Heimat. Ihre Partei-Slogans sind so beliebig wie Waschmittelwerbung: „Richtig gute Partei!“, heißt es da, oder: „ Jetzt das Richtige tun.“ Aber was ist das Richtige?
Auch die FDP fällt wohl als CDU-Kompagnon aus
Auf den Plakaten sucht man die Antwort jedenfalls vergeblich. Und Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann wirkt bei ihren Auftritten so dermaßen nüchtern und so sehr unnahbar, dass sie keine Wählermassen begeistert. Die CDU kann also noch so laut „Rita ins Rathaus“ propagieren – die Bremer SPD dürfte weiterhin den Rekord halten, als einzige Partei in Deutschland seit 1945 ständig einen Ministerpräsidenten zu stellen.
Und die Union hätte auch gar keinen Koalitionspartner. SPD und Grüne haben sich bereits ihre Treue geschworen. Nach jüngsten Umfragen könnten die Grünen sogar die erste grün-schwarze Landesregierung Deutschlands bilden. Und selbst wenn es nicht so kommen sollte: Die Spitzenkandidatin der Grünen, Karoline Linnert, hat bereits angekündigt, dass sie in der kommenden Legislatur lieber Finanzsenatorin bleibe, als mit CDU-Hilfe Regierungschefin zu werden.
Auch die FDP fällt wohl als CDU-Kompagnon aus. Spitzenkandidat Oliver Möllenstädt, ein nassforscher Jungspund, kann auf den Wahlplakaten noch so sportlich joggen – an der Fünf-Prozent-Hürde wird er höchstwahrscheinlich straucheln. Hinter vorgehaltener Hand beklagen sich Parteifreunde über mangelndes Profil und wenig ausgeprägte Führungsqualitäten des 33-Jährigen. Gute Aussichten, wieder ins Parlament einzuziehen, hat dagegen „Die Linke“, selbst wenn sie zerstritten ist. Auch die rechtspopulistischen „Bürger in Wut“ könnten es erneut in die Bürgerschaft schaffen, vielleicht erstmals auch „NPD“ und „Piratenpartei“.
Ein bisschen Spannung bleibt also noch – auch wegen der spannenden Frage, wie die 16- und 17-Jährigen abstimmen, die an diesem Sonntag erstmals ein Landesparlament mitwählen dürfen.
Und natürlich wegen der Frage, wie die Bremer und Bremerhavener mit ihrem neuen Wahlsystem klarkommen: Ähnlich wie bei den bayerischen Kommunalwahlen können sie nun fünf Stimmen abgeben – entweder für ganze Listen oder aber für einzelne Kandidaten in jeder denkbaren Kombination. Das Wahlamt hat bereits angekündigt, dass die Auszählung diesmal drei Tage lang dauern dürfte.
Die grobe Richtung steht jedoch schon fest, sie lautet: „Dat blifft allens so, as dat is.“ Es bleibt alles so, wie es ist. So haben bodenständige Norddeutsche das am liebsten.
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