Hausärzte warnen: "Uns steht ein harter Pandemie-Winter bevor"
Exklusiv Die Belastung in den Praxen steigt. Bayerns Hausärzte-Chef Markus Beier kritisiert den Streit um Booster-Impfungen und die bürokratische Impfstoffverteilung.
Schon in den kommenden Tagen könnte die Krankenhausampel in Bayern auf Rot springen. Am Donnerstag mussten landesweit 522 Menschen wegen Corona auf der Intensivstation behandelt werden – bei 600 ist die höchste Alarmstufe erreicht. Doch nicht nur in den Kliniken, sondern auch in den Hausarztpraxen wächst die Belastung: „Uns steht ein harter Pandemie-Winter bevor“, warnt Bayerns Hausärzte-Präsident Markus Beier. „Im Moment ist die Lage angespannt, sowohl die pandemiebedingten Infektionen als auch allgemeine Infekte sind deutlich über dem Niveau der vergangenen Monate“, erklärt er.
Es kämen auch mehr Menschen mit verdächtigen Symptomen in die Praxen, die früher zu Hause geblieben seien. Das sei auch richtig so, betont der Erlanger Hausarzt. „Wir behandeln und testen in vielen Praxen deutlich mehr Patientinnen und Patienten, dazu kommen nun auch vermehrt Booster-Impfungen“, berichtet Beier. „Wir erleben allerdings dabei auch eine wachsende Ungeduld der Menschen. Wir kommen aber an Belastungsgrenzen.“
Arzthelferinnen und -helfer tragen Hauptlast der Impfkampagne
Das gelte vor allem für die Medizinischen Fachangestellten, die seit Monaten einen Hauptteil der Arbeit der Impfkampagne machten. „Es geht nicht nur darum, eine Spritze zu geben, sondern um die Vorbereitung und auch die damit verbundene Bürokratie“, sagt Beier. Hier gebe es ein Missverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und der Anerkennung. „Die Hausärztinnen und Hausärzte haben kein Verständnis, dass die Politik den Medizinischen Fachangestellten keinen Corona-Pflegebonus gewährt“, kritisiert er.
Ebenso großes Unverständnis herrscht in der Hausärzteschaft über den jüngsten, zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ausgetragenen Streit, ob allen Corona-Geimpften das Angebot einer sogenannten Booster-Impfung gemacht werden solle, um den Immunschutz zu stärken. „Wir sollten bei den Booster-Impfungen schnell zu einer gemeinsamen Linie finden“, betont Beier. „Streit und Lagerbildung an dieser Stelle bringen überhaupt nichts. Das führt nur zu Verunsicherung bei den Menschen und in den Praxen.“
Bayerns Hausärzte begrüßen Booster-Impfungen
Prinzipiell hält der Hausärzte-Chef ein Angebot an alle Impfwilligen für richtig: „Es ist ganz offensichtlich, dass Booster-Impfungen gut wirken und die Impfungen gestaffelt nach Dringlichkeit auch bei jüngeren Menschen nach einer gewissen Zeit von mindestens einem halben Jahr noch mal aufgefrischt werden sollten, sobald die älteren geschützt sind.“ Doch dazu müsse die Politik die staatliche Impfstoff-Logistik verbessern: „In den Praxen besteht bei den Booster-Impfungen das Problem, dass wir Impfstoff nur mit zwei Wochen Abstand im Voraus bestellen können“, sagt Beier. „Das ist aber in der aktuellen Situation geradezu unmöglich vorauszuplanen. Wir müssen wieder wöchentlich bestellen können.“
Zahl der Corona-Patienten in klinken in einer Woche fast verdoppelt
Die Zahl der Corona-Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern hat sich in Bayern binnen nur einer Woche fast verdoppelt. Immer mehr Krankenhäuser müssen geplante Operationen verschieben, um Platz auf den Intensivstationen für schwerstkranke Corona-Patienten frei zu halten.
Die Lage sei sehr ernst, betont Hausärzte-Chef Beier: „Wer jetzt noch nicht geimpft ist, sollte unbedingt die Chance ergreifen, das ist der beste Schutz für sich und auch seine Familie“, betont er. „Wir hätten zu Beginn der Pandemie alle nicht gedacht, dass wir so einen hervorragenden Impfstoff bekommen.“ Derzeit ist jeder sechste Bayer über 60 Jahren nicht geimpft, bei den jüngeren sind es noch mehr.
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